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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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daß sie sich mit einander verbinden. Vom
wechselseitigen Betragen ist gar die Rede
nicht, ein ewiges Mißtrauen wird durch
heimliche Tücke und schändliche Reden unter¬
halten; wer nicht liederlich lebt, lebt albern.
Jeder macht Anspruch auf die unbedingteste
Achtung, jeder ist empfindlich gegen den
mindesten Tadel. Das hat er alles schon
selbst besser gewußt! und warum hat er denn
immer das Gegentheil gethan? Immer be¬
dürftig und immer ohne Zutrauen, scheint
es, als wenn sie sich vor nichts so sehr fürch¬
teten als vor Vernunft und gutem Geschmack,
und nichts so sehr zu erhalten suchten, als
daß Majestätsrecht ihrer persönlichen Will¬
kühr.

Wilhelm holte Athem, um seine Litaney
noch weiter forzusetzen, als ein unmäßiges
Gelächter Jarno's ihn unterbrach. Die ar¬
men Schauspieler! rief er aus, warf sich in

daß ſie ſich mit einander verbinden. Vom
wechſelſeitigen Betragen iſt gar die Rede
nicht, ein ewiges Mißtrauen wird durch
heimliche Tücke und ſchändliche Reden unter¬
halten; wer nicht liederlich lebt, lebt albern.
Jeder macht Anſpruch auf die unbedingteſte
Achtung, jeder iſt empfindlich gegen den
mindeſten Tadel. Das hat er alles ſchon
ſelbſt beſſer gewußt! und warum hat er denn
immer das Gegentheil gethan? Immer be¬
dürftig und immer ohne Zutrauen, ſcheint
es, als wenn ſie ſich vor nichts ſo ſehr fürch¬
teten als vor Vernunft und gutem Geſchmack,
und nichts ſo ſehr zu erhalten ſuchten, als
daß Majeſtätsrecht ihrer perſönlichen Will¬
kühr.

Wilhelm holte Athem, um ſeine Litaney
noch weiter forzuſetzen, als ein unmäßiges
Gelächter Jarno’s ihn unterbrach. Die ar¬
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[42/0046] daß ſie ſich mit einander verbinden. Vom wechſelſeitigen Betragen iſt gar die Rede nicht, ein ewiges Mißtrauen wird durch heimliche Tücke und ſchändliche Reden unter¬ halten; wer nicht liederlich lebt, lebt albern. Jeder macht Anſpruch auf die unbedingteſte Achtung, jeder iſt empfindlich gegen den mindeſten Tadel. Das hat er alles ſchon ſelbſt beſſer gewußt! und warum hat er denn immer das Gegentheil gethan? Immer be¬ dürftig und immer ohne Zutrauen, ſcheint es, als wenn ſie ſich vor nichts ſo ſehr fürch¬ teten als vor Vernunft und gutem Geſchmack, und nichts ſo ſehr zu erhalten ſuchten, als daß Majeſtätsrecht ihrer perſönlichen Will¬ kühr. Wilhelm holte Athem, um ſeine Litaney noch weiter forzuſetzen, als ein unmäßiges Gelächter Jarno’s ihn unterbrach. Die ar¬ men Schauſpieler! rief er aus, warf ſich in

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/46>, abgerufen am 02.05.2024.