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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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mer in Bewegung, und in allem äußerst
lenksam und folgsam, denn alle seine Lei¬
denschaften schienen sich in der einzigen Furcht
des Todes aufgelöst zu haben. Man konnte
ihn zu allem in der Welt bewegen, wenn
man ihm mit einer gefährlichen Krankheit
oder mit dem Tode drohte.

Außer dieser Sonderbarkeit, daß er un¬
ermüdet im Kloster hin und her ging, und
nicht undeutlich zu verstehen gab: daß es
noch besser seyn würde, über Berg und Thä¬
ler so zu wandeln, sprach er auch von einer
Erscheinung, die ihn gewöhnlich ängstigte.
Er behauptete nämlich, daß bey seinem Er¬
wachen, zu jeder Stunde der Nacht, ein
schöner Knabe unten an seinem Bette stehe,
und ihm mit einem blanken Messer drohe.
Man versetzte ihn in ein anderes Zimmer,
allein er behauptete, auch da und zuletzt so¬
gar an andern Stellen des Klosters stehe

mer in Bewegung, und in allem äußerſt
lenkſam und folgſam, denn alle ſeine Lei¬
denſchaften ſchienen ſich in der einzigen Furcht
des Todes aufgelöſt zu haben. Man konnte
ihn zu allem in der Welt bewegen, wenn
man ihm mit einer gefährlichen Krankheit
oder mit dem Tode drohte.

Außer dieſer Sonderbarkeit, daß er un¬
ermüdet im Kloſter hin und her ging, und
nicht undeutlich zu verſtehen gab: daß es
noch beſſer ſeyn würde, über Berg und Thä¬
ler ſo zu wandeln, ſprach er auch von einer
Erſcheinung, die ihn gewöhnlich ängſtigte.
Er behauptete nämlich, daß bey ſeinem Er¬
wachen, zu jeder Stunde der Nacht, ein
ſchöner Knabe unten an ſeinem Bette ſtehe,
und ihm mit einem blanken Meſſer drohe.
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allein er behauptete, auch da und zuletzt ſo¬
gar an andern Stellen des Kloſters ſtehe

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[454/0458] mer in Bewegung, und in allem äußerſt lenkſam und folgſam, denn alle ſeine Lei¬ denſchaften ſchienen ſich in der einzigen Furcht des Todes aufgelöſt zu haben. Man konnte ihn zu allem in der Welt bewegen, wenn man ihm mit einer gefährlichen Krankheit oder mit dem Tode drohte. Außer dieſer Sonderbarkeit, daß er un¬ ermüdet im Kloſter hin und her ging, und nicht undeutlich zu verſtehen gab: daß es noch beſſer ſeyn würde, über Berg und Thä¬ ler ſo zu wandeln, ſprach er auch von einer Erſcheinung, die ihn gewöhnlich ängſtigte. Er behauptete nämlich, daß bey ſeinem Er¬ wachen, zu jeder Stunde der Nacht, ein ſchöner Knabe unten an ſeinem Bette ſtehe, und ihm mit einem blanken Meſſer drohe. Man verſetzte ihn in ein anderes Zimmer, allein er behauptete, auch da und zuletzt ſo¬ gar an andern Stellen des Kloſters ſtehe

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/458>, abgerufen am 22.11.2024.