so von selbst aus, wie die Zunge und der Gaum, man urtheile über ein Kunstwerk, wie über eine Speise, und man begreift nicht, was für einer andern Kultur es be¬ darf, um sich zum wahren Kunstgenusse zu erheben. Das schwerste finde ich die Art von Absonderung, die der Mensch in sich selbst bewirken muß, wenn er sich überhaupt bilden will, deswegen finden wir so viel ein¬ seitige Kulturen, wovon doch jede sich an¬ maßt über das Ganze abzusprechen.
Was Sie da sagen, ist mir nicht ganz deutlich, sagte Jarno, der eben hinzutrat.
Auch ist es schwer, versetzte der Abbe, sich in der Kürze bestimmt hierüber zu er¬ klären. Ich sage nur so viel: sobald der Mensch an mannigfaltige Thätigkeit oder mannigfaltigen Genuß Anspruch macht, so muß er auch fähig seyn mannigfaltige Or¬ gane an sich gleichsam unabhängig von ein¬
ſo von ſelbſt aus, wie die Zunge und der Gaum, man urtheile über ein Kunſtwerk, wie über eine Speiſe, und man begreift nicht, was für einer andern Kultur es be¬ darf, um ſich zum wahren Kunſtgenuſſe zu erheben. Das ſchwerſte finde ich die Art von Abſonderung, die der Menſch in ſich ſelbſt bewirken muß, wenn er ſich überhaupt bilden will, deswegen finden wir ſo viel ein¬ ſeitige Kulturen, wovon doch jede ſich an¬ maßt über das Ganze abzuſprechen.
Was Sie da ſagen, iſt mir nicht ganz deutlich, ſagte Jarno, der eben hinzutrat.
Auch iſt es ſchwer, verſetzte der Abbé, ſich in der Kürze beſtimmt hierüber zu er¬ klären. Ich ſage nur ſo viel: ſobald der Menſch an mannigfaltige Thätigkeit oder mannigfaltigen Genuß Anſpruch macht, ſo muß er auch fähig ſeyn mannigfaltige Or¬ gane an ſich gleichſam unabhängig von ein¬
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Gaum, man urtheile über ein Kunſtwerk,
wie über eine Speiſe, und man begreift
nicht, was für einer andern Kultur es be¬
darf, um ſich zum wahren Kunſtgenuſſe zu
erheben. Das ſchwerſte finde ich die Art
von Abſonderung, die der Menſch in ſich
ſelbſt bewirken muß, wenn er ſich überhaupt
bilden will, deswegen finden wir ſo viel ein¬
ſeitige Kulturen, wovon doch jede ſich an¬
maßt über das Ganze abzuſprechen.
Was Sie da ſagen, iſt mir nicht ganz
deutlich, ſagte Jarno, der eben hinzutrat.
Auch iſt es ſchwer, verſetzte der Abbé,
ſich in der Kürze beſtimmt hierüber zu er¬
klären. Ich ſage nur ſo viel: ſobald der
Menſch an mannigfaltige Thätigkeit oder
mannigfaltigen Genuß Anſpruch macht, ſo
muß er auch fähig ſeyn mannigfaltige Or¬
gane an ſich gleichſam unabhängig von ein¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/413>, abgerufen am 22.11.2024.
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