so hätte er viel glückliche Menschen machen, und sich und ihnen einen Himmel auf Er¬ den schaffen können. Selten sind unsere Auf¬ opferungen thätig, wir thun gleich Verzicht auf das, was wir weggeben. Nicht ent¬ schlossen, sondern verzweifelt entsagen wir dem, was wir besitzen. Diese Tage, ich ge¬ steh es, schwebt mir der Graf immer vor Augen, und ich bin fest entschlossen, das aus Überzeugung zu thun, wozu ihn ein ängst¬ licher Wahn treibt, ich will meine Genesung nicht abwarten. Hier sind die Papiere, sie dürfen nur ins reine gebracht werden, neh¬ men Sie den Gerichtshalter dazu, unser Gast hilft Ihnen auch, Sie wissen so gut als ich, worauf es ankommt, und ich will hier gene¬ send oder sterbend dabey bleiben und ausru¬ fen : hier! oder nirgends ist Herrnhut.
Als Lydie ihren Freund von sterben reden hörte, stürzte sie vor seinem Bette nieder,
ſo hätte er viel glückliche Menſchen machen, und ſich und ihnen einen Himmel auf Er¬ den ſchaffen können. Selten ſind unſere Auf¬ opferungen thätig, wir thun gleich Verzicht auf das, was wir weggeben. Nicht ent¬ ſchloſſen, ſondern verzweifelt entſagen wir dem, was wir beſitzen. Dieſe Tage, ich ge¬ ſteh es, ſchwebt mir der Graf immer vor Augen, und ich bin feſt entſchloſſen, das aus Überzeugung zu thun, wozu ihn ein ängſt¬ licher Wahn treibt, ich will meine Geneſung nicht abwarten. Hier ſind die Papiere, ſie dürfen nur ins reine gebracht werden, neh¬ men Sie den Gerichtshalter dazu, unſer Gaſt hilft Ihnen auch, Sie wiſſen ſo gut als ich, worauf es ankommt, und ich will hier gene¬ ſend oder ſterbend dabey bleiben und ausru¬ fen : hier! oder nirgends iſt Herrnhut.
Als Lydie ihren Freund von ſterben reden hörte, ſtürzte ſie vor ſeinem Bette nieder,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0041"n="37"/>ſo hätte er viel glückliche Menſchen machen,<lb/>
und ſich und ihnen einen Himmel auf Er¬<lb/>
den ſchaffen können. Selten ſind unſere Auf¬<lb/>
opferungen thätig, wir thun gleich Verzicht<lb/>
auf das, was wir weggeben. Nicht ent¬<lb/>ſchloſſen, ſondern verzweifelt entſagen wir<lb/>
dem, was wir beſitzen. Dieſe Tage, ich ge¬<lb/>ſteh es, ſchwebt mir der Graf immer vor<lb/>
Augen, und ich bin feſt entſchloſſen, das aus<lb/>
Überzeugung zu thun, wozu ihn ein ängſt¬<lb/>
licher Wahn treibt, ich will meine Geneſung<lb/>
nicht abwarten. Hier ſind die Papiere, ſie<lb/>
dürfen nur ins reine gebracht werden, neh¬<lb/>
men Sie den Gerichtshalter dazu, unſer Gaſt<lb/>
hilft Ihnen auch, Sie wiſſen ſo gut als ich,<lb/>
worauf es ankommt, und ich will hier gene¬<lb/>ſend oder ſterbend dabey bleiben und ausru¬<lb/>
fen : <hirendition="#g">hier</hi>! <hirendition="#g">oder nirgends iſt Herrnhut</hi>.</p><lb/><p>Als Lydie ihren Freund von ſterben reden<lb/>
hörte, ſtürzte ſie vor ſeinem Bette nieder,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[37/0041]
ſo hätte er viel glückliche Menſchen machen,
und ſich und ihnen einen Himmel auf Er¬
den ſchaffen können. Selten ſind unſere Auf¬
opferungen thätig, wir thun gleich Verzicht
auf das, was wir weggeben. Nicht ent¬
ſchloſſen, ſondern verzweifelt entſagen wir
dem, was wir beſitzen. Dieſe Tage, ich ge¬
ſteh es, ſchwebt mir der Graf immer vor
Augen, und ich bin feſt entſchloſſen, das aus
Überzeugung zu thun, wozu ihn ein ängſt¬
licher Wahn treibt, ich will meine Geneſung
nicht abwarten. Hier ſind die Papiere, ſie
dürfen nur ins reine gebracht werden, neh¬
men Sie den Gerichtshalter dazu, unſer Gaſt
hilft Ihnen auch, Sie wiſſen ſo gut als ich,
worauf es ankommt, und ich will hier gene¬
ſend oder ſterbend dabey bleiben und ausru¬
fen : hier! oder nirgends iſt Herrnhut.
Als Lydie ihren Freund von ſterben reden
hörte, ſtürzte ſie vor ſeinem Bette nieder,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/41>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.