Man hatte einigemal dem Kranken vorge¬ lesen, Wilhelm leistete diesen kleinen Dienst mit Freuden. Lydie kam nicht vom Bette hinweg, ihre Sorgfalt für den Verwundeten verschlang alle ihre übrige Aufmerksamkeit, aber heute schien auch Lothario zerstreut, ja er bat, daß man nicht weiter lesen möchte.
Ich fühle heute so lebhaft, sagte er, wie thöricht der Mensch seine Zeit verstreichen läßt! Wie manches habe ich mir vorgenom¬ men, wie manches durchgedacht, und wie zaudert man nicht bey seinen besten Vor¬ sätzen! Ich habe die Vorschläge über die Veränderungen gelesen, die ich auf meinen Gütern machen will, und ich kann sagen, ich freue mich vorzüglich deshalb, daß die
Drittes Capitel.
Man hatte einigemal dem Kranken vorge¬ leſen, Wilhelm leiſtete dieſen kleinen Dienſt mit Freuden. Lydie kam nicht vom Bette hinweg, ihre Sorgfalt für den Verwundeten verſchlang alle ihre übrige Aufmerkſamkeit, aber heute ſchien auch Lothario zerſtreut, ja er bat, daß man nicht weiter leſen möchte.
Ich fühle heute ſo lebhaft, ſagte er, wie thöricht der Menſch ſeine Zeit verſtreichen läßt! Wie manches habe ich mir vorgenom¬ men, wie manches durchgedacht, und wie zaudert man nicht bey ſeinen beſten Vor¬ ſätzen! Ich habe die Vorſchläge über die Veränderungen geleſen, die ich auf meinen Gütern machen will, und ich kann ſagen, ich freue mich vorzüglich deshalb, daß die
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Drittes Capitel.
Man hatte einigemal dem Kranken vorge¬
leſen, Wilhelm leiſtete dieſen kleinen Dienſt
mit Freuden. Lydie kam nicht vom Bette
hinweg, ihre Sorgfalt für den Verwundeten
verſchlang alle ihre übrige Aufmerkſamkeit,
aber heute ſchien auch Lothario zerſtreut, ja
er bat, daß man nicht weiter leſen möchte.
Ich fühle heute ſo lebhaft, ſagte er, wie
thöricht der Menſch ſeine Zeit verſtreichen
läßt! Wie manches habe ich mir vorgenom¬
men, wie manches durchgedacht, und wie
zaudert man nicht bey ſeinen beſten Vor¬
ſätzen! Ich habe die Vorſchläge über die
Veränderungen geleſen, die ich auf meinen
Gütern machen will, und ich kann ſagen,
ich freue mich vorzüglich deshalb, daß die
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/35>, abgerufen am 24.11.2024.
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