Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

bens, in welchen die Begebenheiten, gleich
geflügelten Weberschiffchen, vor uns sich hin
und wieder bewegen, und unaufhaltsam ein
Gewebe vollenden, das wir mehr oder we¬
niger selbst gesponnen und angelegt haben.
Mein Freund, sagte Therese! mein Gelieb¬
ter, indem sie das Stillschweigen unterbrach,
und ihn bey der Hand nahm, laß uns die¬
sen Augenblick fest zusammenhalten, wie wir
noch öfters, vielleicht in ähnlichen Fällen,
werden zu thun haben. Dieß sind die Er¬
eignisse, welche zu ertragen man zu zwey in
der Welt seyn muß. Bedenke, mein Freund,
fühle! daß Du nicht allein bist, zeige, daß
Du Deine Therese liebst zuerst dadurch, daß
Du Deine Schmerzen ihr mittheilst. Sie
umarmte ihn und schloß ihn sanft an ihren
Busen, er faßte sie in seine Arme, und
drückte sie mit Heftigkeit an sich. Das arme
Kind, rief er aus, suchte in traurigen Au¬

bens, in welchen die Begebenheiten, gleich
geflügelten Weberſchiffchen, vor uns ſich hin
und wieder bewegen, und unaufhaltſam ein
Gewebe vollenden, das wir mehr oder we¬
niger ſelbſt geſponnen und angelegt haben.
Mein Freund, ſagte Thereſe! mein Gelieb¬
ter, indem ſie das Stillſchweigen unterbrach,
und ihn bey der Hand nahm, laß uns die¬
ſen Augenblick feſt zuſammenhalten, wie wir
noch öfters, vielleicht in ähnlichen Fällen,
werden zu thun haben. Dieß ſind die Er¬
eigniſſe, welche zu ertragen man zu zwey in
der Welt ſeyn muß. Bedenke, mein Freund,
fühle! daß Du nicht allein biſt, zeige, daß
Du Deine Thereſe liebſt zuerſt dadurch, daß
Du Deine Schmerzen ihr mittheilſt. Sie
umarmte ihn und ſchloß ihn ſanft an ihren
Buſen, er faßte ſie in ſeine Arme, und
drückte ſie mit Heftigkeit an ſich. Das arme
Kind, rief er aus, ſuchte in traurigen Au¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0339" n="335"/>
bens, in welchen die Begebenheiten, gleich<lb/>
geflügelten Weber&#x017F;chiffchen, vor uns &#x017F;ich hin<lb/>
und wieder bewegen, und unaufhalt&#x017F;am ein<lb/>
Gewebe vollenden, das wir mehr oder we¬<lb/>
niger &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;ponnen und angelegt haben.<lb/>
Mein Freund, &#x017F;agte There&#x017F;e! mein Gelieb¬<lb/>
ter, indem &#x017F;ie das Still&#x017F;chweigen unterbrach,<lb/>
und ihn bey der Hand nahm, laß uns die¬<lb/>
&#x017F;en Augenblick fe&#x017F;t zu&#x017F;ammenhalten, wie wir<lb/>
noch öfters, vielleicht in ähnlichen Fällen,<lb/>
werden zu thun haben. Dieß &#x017F;ind die Er¬<lb/>
eigni&#x017F;&#x017F;e, welche zu ertragen man zu zwey in<lb/>
der Welt &#x017F;eyn muß. Bedenke, mein Freund,<lb/>
fühle! daß Du nicht allein bi&#x017F;t, zeige, daß<lb/>
Du Deine There&#x017F;e lieb&#x017F;t zuer&#x017F;t dadurch, daß<lb/>
Du Deine Schmerzen ihr mittheil&#x017F;t. Sie<lb/>
umarmte ihn und &#x017F;chloß ihn &#x017F;anft an ihren<lb/>
Bu&#x017F;en, er faßte &#x017F;ie in &#x017F;eine Arme, und<lb/>
drückte &#x017F;ie mit Heftigkeit an &#x017F;ich. Das arme<lb/>
Kind, rief er aus, &#x017F;uchte in traurigen Au¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0339] bens, in welchen die Begebenheiten, gleich geflügelten Weberſchiffchen, vor uns ſich hin und wieder bewegen, und unaufhaltſam ein Gewebe vollenden, das wir mehr oder we¬ niger ſelbſt geſponnen und angelegt haben. Mein Freund, ſagte Thereſe! mein Gelieb¬ ter, indem ſie das Stillſchweigen unterbrach, und ihn bey der Hand nahm, laß uns die¬ ſen Augenblick feſt zuſammenhalten, wie wir noch öfters, vielleicht in ähnlichen Fällen, werden zu thun haben. Dieß ſind die Er¬ eigniſſe, welche zu ertragen man zu zwey in der Welt ſeyn muß. Bedenke, mein Freund, fühle! daß Du nicht allein biſt, zeige, daß Du Deine Thereſe liebſt zuerſt dadurch, daß Du Deine Schmerzen ihr mittheilſt. Sie umarmte ihn und ſchloß ihn ſanft an ihren Buſen, er faßte ſie in ſeine Arme, und drückte ſie mit Heftigkeit an ſich. Das arme Kind, rief er aus, ſuchte in traurigen Au¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/339
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/339>, abgerufen am 25.11.2024.