ben? und das, was wir Schicksal nennen, sollte es blos Zufall seyn? wo mag sich mei¬ nes Großvaters Sammlung befinden? und warum erinnert man mich in diesen feyer¬ lichen Augenblicken daran?
Er hatte nicht Zeit weiter zu denken, denn der Vorhang eröfnete sich wieder, und es stand ein Mann vor seinen Augen, den er sogleich für den Landgeistlichen erkannte, der mit ihm und der lustigen Gesellschaft jene Wasserfahrt gemacht hatte; er glich dem Abbe, ob er gleich nicht dieselbe Per¬ son schien. Mit einem heitern Gesichte und einem würdigen Ausdruck fing der Mann an: nicht vor Irrthum zu bewahren, ist die Pflicht des Menschenerziehers, sondern den irrenden leiten, ja ihn seinen Irrthum aus vollen Bechern ausschlurfen zu lassen, das ist Weisheit der Lehrer. Wer seinen Irr¬ thum nur kostet, hält lange damit Haus, er
ben? und das, was wir Schickſal nennen, ſollte es blos Zufall ſeyn? wo mag ſich mei¬ nes Großvaters Sammlung befinden? und warum erinnert man mich in dieſen feyer¬ lichen Augenblicken daran?
Er hatte nicht Zeit weiter zu denken, denn der Vorhang eröfnete ſich wieder, und es ſtand ein Mann vor ſeinen Augen, den er ſogleich für den Landgeiſtlichen erkannte, der mit ihm und der luſtigen Geſellſchaft jene Waſſerfahrt gemacht hatte; er glich dem Abbé, ob er gleich nicht dieſelbe Per¬ ſon ſchien. Mit einem heitern Geſichte und einem würdigen Ausdruck fing der Mann an: nicht vor Irrthum zu bewahren, iſt die Pflicht des Menſchenerziehers, ſondern den irrenden leiten, ja ihn ſeinen Irrthum aus vollen Bechern ausſchlurfen zu laſſen, das iſt Weisheit der Lehrer. Wer ſeinen Irr¬ thum nur koſtet, hält lange damit Haus, er
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ben? und das, was wir Schickſal nennen,
ſollte es blos Zufall ſeyn? wo mag ſich mei¬
nes Großvaters Sammlung befinden? und
warum erinnert man mich in dieſen feyer¬
lichen Augenblicken daran?
Er hatte nicht Zeit weiter zu denken,
denn der Vorhang eröfnete ſich wieder, und
es ſtand ein Mann vor ſeinen Augen, den
er ſogleich für den Landgeiſtlichen erkannte,
der mit ihm und der luſtigen Geſellſchaft
jene Waſſerfahrt gemacht hatte; er glich
dem Abbé, ob er gleich nicht dieſelbe Per¬
ſon ſchien. Mit einem heitern Geſichte und
einem würdigen Ausdruck fing der Mann
an: nicht vor Irrthum zu bewahren, iſt die
Pflicht des Menſchenerziehers, ſondern den
irrenden leiten, ja ihn ſeinen Irrthum aus
vollen Bechern ausſchlurfen zu laſſen, das
iſt Weisheit der Lehrer. Wer ſeinen Irr¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/206>, abgerufen am 23.11.2024.
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