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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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sprang, das Kind, dem die Pferde näher ka¬
men, anfaßte, und in das Haus hineintrug.
Es war mir eine unangenehme Empfindung,
und nur wurde meine Eitelkeit ein wenig
getröstet, als ich, wie sie hinweg eilte, an
ihrem Nacken und an dem freystehenden Ohr
eine merkliche Röthe zu sehen glaubte.

Ich hielt still und sprach mit dem Vater,
und schielte indessen an den Fenstern herum,
ob sie sich nicht hier oder da blicken ließe;
allein ich bemerkte keine Spur von ihr. Fra¬
gen wollt ich auch nicht, und so ritt ich vor¬
bey. Mein Verdruß wurde durch Verwun¬
derung einigermaßen gemildert, denn ob ich
gleich kaum das Gesicht gesehen hatte, so
schien sie mir fast gar nicht verändert, und
zehn Jahre sind doch eine Zeit! ja sie schien
mir jünger, eben so schlank, eben so leicht
auf den Füßen, der Hals wo möglich noch
zierlicher als vorher, ihre Wange eben so

ſprang, das Kind, dem die Pferde näher ka¬
men, anfaßte, und in das Haus hineintrug.
Es war mir eine unangenehme Empfindung,
und nur wurde meine Eitelkeit ein wenig
getröſtet, als ich, wie ſie hinweg eilte, an
ihrem Nacken und an dem freyſtehenden Ohr
eine merkliche Röthe zu ſehen glaubte.

Ich hielt ſtill und ſprach mit dem Vater,
und ſchielte indeſſen an den Fenſtern herum,
ob ſie ſich nicht hier oder da blicken ließe;
allein ich bemerkte keine Spur von ihr. Fra¬
gen wollt ich auch nicht, und ſo ritt ich vor¬
bey. Mein Verdruß wurde durch Verwun¬
derung einigermaßen gemildert, denn ob ich
gleich kaum das Geſicht geſehen hatte, ſo
ſchien ſie mir faſt gar nicht verändert, und
zehn Jahre ſind doch eine Zeit! ja ſie ſchien
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auf den Füßen, der Hals wo möglich noch
zierlicher als vorher, ihre Wange eben ſo

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[124/0128] ſprang, das Kind, dem die Pferde näher ka¬ men, anfaßte, und in das Haus hineintrug. Es war mir eine unangenehme Empfindung, und nur wurde meine Eitelkeit ein wenig getröſtet, als ich, wie ſie hinweg eilte, an ihrem Nacken und an dem freyſtehenden Ohr eine merkliche Röthe zu ſehen glaubte. Ich hielt ſtill und ſprach mit dem Vater, und ſchielte indeſſen an den Fenſtern herum, ob ſie ſich nicht hier oder da blicken ließe; allein ich bemerkte keine Spur von ihr. Fra¬ gen wollt ich auch nicht, und ſo ritt ich vor¬ bey. Mein Verdruß wurde durch Verwun¬ derung einigermaßen gemildert, denn ob ich gleich kaum das Geſicht geſehen hatte, ſo ſchien ſie mir faſt gar nicht verändert, und zehn Jahre ſind doch eine Zeit! ja ſie ſchien mir jünger, eben ſo ſchlank, eben ſo leicht auf den Füßen, der Hals wo möglich noch zierlicher als vorher, ihre Wange eben ſo

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/128>, abgerufen am 23.11.2024.