Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

wohlgefallen, ritt sachte hin, und es wurde
mir ganz begreiflich, wie Menschen eine
Krankheit lieb gewinnen können, welche uns
zu süßen Empfindungen stimmt. Sie wissen
vielleicht, was mich ehmals so oft diesen
Weg führte?

Wenn ich mich recht erinnere, versetzte
Jarno, so war es ein kleiner Liebeshandel,
der sich mit der Tochter eines Pachters ent¬
sponnen hatte.

Man dürfte es wohl einen großen nen¬
nen, versetzte Lothario, denn wir hatten uns
beyde sehr lieb, recht im Ernste, und auch
ziemlich lange. Zufälligerweise traf heute al¬
les zusammen, mir die ersten Zeiten unserer
Liebe recht lebhaft darzustellen. Die Knaben
schüttelten eben wieder Maykäfer von den
Bäumen, und das Laub der Eschen war
nicht weiter als eben an dem Tage, da ich
sie zum erstenmale sah. Nun war es lange,

wohlgefallen, ritt ſachte hin, und es wurde
mir ganz begreiflich, wie Menſchen eine
Krankheit lieb gewinnen können, welche uns
zu ſüßen Empfindungen ſtimmt. Sie wiſſen
vielleicht, was mich ehmals ſo oft dieſen
Weg führte?

Wenn ich mich recht erinnere, verſetzte
Jarno, ſo war es ein kleiner Liebeshandel,
der ſich mit der Tochter eines Pachters ent¬
ſponnen hatte.

Man dürfte es wohl einen großen nen¬
nen, verſetzte Lothario, denn wir hatten uns
beyde ſehr lieb, recht im Ernſte, und auch
ziemlich lange. Zufälligerweiſe traf heute al¬
les zuſammen, mir die erſten Zeiten unſerer
Liebe recht lebhaft darzuſtellen. Die Knaben
ſchüttelten eben wieder Maykäfer von den
Bäumen, und das Laub der Eſchen war
nicht weiter als eben an dem Tage, da ich
ſie zum erſtenmale ſah. Nun war es lange,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0126" n="122"/>
wohlgefallen, ritt &#x017F;achte hin, und es wurde<lb/>
mir ganz begreiflich, wie Men&#x017F;chen eine<lb/>
Krankheit lieb gewinnen können, welche uns<lb/>
zu &#x017F;üßen Empfindungen &#x017F;timmt. Sie wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
vielleicht, was mich ehmals &#x017F;o oft die&#x017F;en<lb/>
Weg führte?</p><lb/>
            <p>Wenn ich mich recht erinnere, ver&#x017F;etzte<lb/>
Jarno, &#x017F;o war es ein kleiner Liebeshandel,<lb/>
der &#x017F;ich mit der Tochter eines Pachters ent¬<lb/>
&#x017F;ponnen hatte.</p><lb/>
            <p>Man dürfte es wohl einen großen nen¬<lb/>
nen, ver&#x017F;etzte Lothario, denn wir hatten uns<lb/>
beyde &#x017F;ehr lieb, recht im Ern&#x017F;te, und auch<lb/>
ziemlich lange. Zufälligerwei&#x017F;e traf heute al¬<lb/>
les zu&#x017F;ammen, mir die er&#x017F;ten Zeiten un&#x017F;erer<lb/>
Liebe recht lebhaft darzu&#x017F;tellen. Die Knaben<lb/>
&#x017F;chüttelten eben wieder Maykäfer von den<lb/>
Bäumen, und das Laub der E&#x017F;chen war<lb/>
nicht weiter als eben an dem Tage, da ich<lb/>
&#x017F;ie zum er&#x017F;tenmale &#x017F;ah. Nun war es lange,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0126] wohlgefallen, ritt ſachte hin, und es wurde mir ganz begreiflich, wie Menſchen eine Krankheit lieb gewinnen können, welche uns zu ſüßen Empfindungen ſtimmt. Sie wiſſen vielleicht, was mich ehmals ſo oft dieſen Weg führte? Wenn ich mich recht erinnere, verſetzte Jarno, ſo war es ein kleiner Liebeshandel, der ſich mit der Tochter eines Pachters ent¬ ſponnen hatte. Man dürfte es wohl einen großen nen¬ nen, verſetzte Lothario, denn wir hatten uns beyde ſehr lieb, recht im Ernſte, und auch ziemlich lange. Zufälligerweiſe traf heute al¬ les zuſammen, mir die erſten Zeiten unſerer Liebe recht lebhaft darzuſtellen. Die Knaben ſchüttelten eben wieder Maykäfer von den Bäumen, und das Laub der Eſchen war nicht weiter als eben an dem Tage, da ich ſie zum erſtenmale ſah. Nun war es lange,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/126
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/126>, abgerufen am 15.05.2024.