Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

mehr als sonst, daß die Aufmerksamkeit, die
er Lydien bezeigte, eine heimliche Neigung
zu verrathen schien. Ich hatte meinen End¬
zweck erreicht, und war doch nicht ruhig;
er zeigte von dem Tage an eine wahre Ach¬
tung und ein schönes Vertrauen gegen mich,
er redete mich in Gesellschaft gewöhnlich an,
fragte mich um meine Meinung und schien
besonders in Haushaltungssachen das Zu¬
trauen zu mir zu haben, als wenn ich alles
wisse. Seine Theilnahme munterte mich
außerordentlich auf; sogar wenn von allge¬
meiner Landesökonomie und von Finanzen
die Rede war, zog er mich ins Gespräch,
und ich suchte in seiner Abwesenheit mehr
Kenntnisse von der Provinz, ja von dem
ganzen Lande zu erlangen; es ward mir
leicht, denn es wiederholte sich nur im
Großen was ich im Kleinen so genau wußte
und kannte.

mehr als ſonſt, daß die Aufmerkſamkeit, die
er Lydien bezeigte, eine heimliche Neigung
zu verrathen ſchien. Ich hatte meinen End¬
zweck erreicht, und war doch nicht ruhig;
er zeigte von dem Tage an eine wahre Ach¬
tung und ein ſchönes Vertrauen gegen mich,
er redete mich in Geſellſchaft gewöhnlich an,
fragte mich um meine Meinung und ſchien
beſonders in Haushaltungsſachen das Zu¬
trauen zu mir zu haben, als wenn ich alles
wiſſe. Seine Theilnahme munterte mich
außerordentlich auf; ſogar wenn von allge¬
meiner Landesökonomie und von Finanzen
die Rede war, zog er mich ins Geſpräch,
und ich ſuchte in ſeiner Abweſenheit mehr
Kenntniſſe von der Provinz, ja von dem
ganzen Lande zu erlangen; es ward mir
leicht, denn es wiederholte ſich nur im
Großen was ich im Kleinen ſo genau wußte
und kannte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0102" n="98"/>
mehr als &#x017F;on&#x017F;t, daß die Aufmerk&#x017F;amkeit, die<lb/>
er Lydien bezeigte, eine heimliche Neigung<lb/>
zu verrathen &#x017F;chien. Ich hatte meinen End¬<lb/>
zweck erreicht, und war doch nicht ruhig;<lb/>
er zeigte von dem Tage an eine wahre Ach¬<lb/>
tung und ein &#x017F;chönes Vertrauen gegen mich,<lb/>
er redete mich in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft gewöhnlich an,<lb/>
fragte mich um meine Meinung und &#x017F;chien<lb/>
be&#x017F;onders in Haushaltungs&#x017F;achen das Zu¬<lb/>
trauen zu mir zu haben, als wenn ich alles<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e. Seine Theilnahme munterte mich<lb/>
außerordentlich auf; &#x017F;ogar wenn von allge¬<lb/>
meiner Landesökonomie und von Finanzen<lb/>
die Rede war, zog er mich ins Ge&#x017F;präch,<lb/>
und ich &#x017F;uchte in &#x017F;einer Abwe&#x017F;enheit mehr<lb/>
Kenntni&#x017F;&#x017F;e von der Provinz, ja von dem<lb/>
ganzen Lande zu erlangen; es ward mir<lb/>
leicht, denn es wiederholte &#x017F;ich nur im<lb/>
Großen was ich im Kleinen &#x017F;o genau wußte<lb/>
und kannte.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0102] mehr als ſonſt, daß die Aufmerkſamkeit, die er Lydien bezeigte, eine heimliche Neigung zu verrathen ſchien. Ich hatte meinen End¬ zweck erreicht, und war doch nicht ruhig; er zeigte von dem Tage an eine wahre Ach¬ tung und ein ſchönes Vertrauen gegen mich, er redete mich in Geſellſchaft gewöhnlich an, fragte mich um meine Meinung und ſchien beſonders in Haushaltungsſachen das Zu¬ trauen zu mir zu haben, als wenn ich alles wiſſe. Seine Theilnahme munterte mich außerordentlich auf; ſogar wenn von allge¬ meiner Landesökonomie und von Finanzen die Rede war, zog er mich ins Geſpräch, und ich ſuchte in ſeiner Abweſenheit mehr Kenntniſſe von der Provinz, ja von dem ganzen Lande zu erlangen; es ward mir leicht, denn es wiederholte ſich nur im Großen was ich im Kleinen ſo genau wußte und kannte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/102
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/102>, abgerufen am 23.11.2024.