den Characteren und Handlungen der Haupt¬ figuren entstehen, und diese sind einzeln für¬ trefflich, und die Folge, in der sie aufgestellt sind, unverbesserlich. Sie können durch keine Art von Behandlung zerstöhrt, ja kaum verunstaltet werden. Diese sinds, die jeder¬ mann zu sehen verlangt, die niemand anzu¬ tasten wagt, die sich tief in die Seele ein¬ drücken und die man, wie ich höre, beynahe alle auf das deutsche Theater gebracht hat. Nur hat man, wie ich glaube, darin ge¬ fehlt, daß man das zweyte, was bey diesem Stück zu bemerken ist, ich meyne die äußern Verhältnisse der Personen, wodurch sie von einem Orte zum andern gebracht, oder auf diese und jene Weise durch gewisse zufällige Begebenheiten verbunden werden, für allzuun¬ bedeutend angesehen, nur im vorbeygehn da¬ von gesprochen, oder sie gar weggelassen hat. Freilich sind diese Fäden nur dünn und lose.
den Characteren und Handlungen der Haupt¬ figuren entſtehen, und dieſe ſind einzeln für¬ trefflich, und die Folge, in der ſie aufgeſtellt ſind, unverbeſſerlich. Sie können durch keine Art von Behandlung zerſtöhrt, ja kaum verunſtaltet werden. Dieſe ſinds, die jeder¬ mann zu ſehen verlangt, die niemand anzu¬ taſten wagt, die ſich tief in die Seele ein¬ drücken und die man, wie ich höre, beynahe alle auf das deutſche Theater gebracht hat. Nur hat man, wie ich glaube, darin ge¬ fehlt, daß man das zweyte, was bey dieſem Stück zu bemerken iſt, ich meyne die äußern Verhältniſſe der Perſonen, wodurch ſie von einem Orte zum andern gebracht, oder auf dieſe und jene Weiſe durch gewiſſe zufällige Begebenheiten verbunden werden, für allzuun¬ bedeutend angeſehen, nur im vorbeygehn da¬ von geſprochen, oder ſie gar weggelaſſen hat. Freilich ſind dieſe Fäden nur dünn und loſe.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0050"n="44"/>
den Characteren und Handlungen der Haupt¬<lb/>
figuren entſtehen, und dieſe ſind einzeln für¬<lb/>
trefflich, und die Folge, in der ſie aufgeſtellt<lb/>ſind, unverbeſſerlich. Sie können durch keine<lb/>
Art von Behandlung zerſtöhrt, ja kaum<lb/>
verunſtaltet werden. Dieſe ſinds, die jeder¬<lb/>
mann zu ſehen verlangt, die niemand anzu¬<lb/>
taſten wagt, die ſich tief in die Seele ein¬<lb/>
drücken und die man, wie ich höre, beynahe<lb/>
alle auf das deutſche Theater gebracht hat.<lb/>
Nur hat man, wie ich glaube, darin ge¬<lb/>
fehlt, daß man das zweyte, was bey dieſem<lb/>
Stück zu bemerken iſt, ich meyne die äußern<lb/>
Verhältniſſe der Perſonen, wodurch ſie von<lb/>
einem Orte zum andern gebracht, oder auf<lb/>
dieſe und jene Weiſe durch gewiſſe zufällige<lb/>
Begebenheiten verbunden werden, für allzuun¬<lb/>
bedeutend angeſehen, nur im vorbeygehn da¬<lb/>
von geſprochen, oder ſie gar weggelaſſen hat.<lb/>
Freilich ſind dieſe Fäden nur dünn und loſe.<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[44/0050]
den Characteren und Handlungen der Haupt¬
figuren entſtehen, und dieſe ſind einzeln für¬
trefflich, und die Folge, in der ſie aufgeſtellt
ſind, unverbeſſerlich. Sie können durch keine
Art von Behandlung zerſtöhrt, ja kaum
verunſtaltet werden. Dieſe ſinds, die jeder¬
mann zu ſehen verlangt, die niemand anzu¬
taſten wagt, die ſich tief in die Seele ein¬
drücken und die man, wie ich höre, beynahe
alle auf das deutſche Theater gebracht hat.
Nur hat man, wie ich glaube, darin ge¬
fehlt, daß man das zweyte, was bey dieſem
Stück zu bemerken iſt, ich meyne die äußern
Verhältniſſe der Perſonen, wodurch ſie von
einem Orte zum andern gebracht, oder auf
dieſe und jene Weiſe durch gewiſſe zufällige
Begebenheiten verbunden werden, für allzuun¬
bedeutend angeſehen, nur im vorbeygehn da¬
von geſprochen, oder ſie gar weggelaſſen hat.
Freilich ſind dieſe Fäden nur dünn und loſe.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/50>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.