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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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nicht alles nach seinem Sinne ging. Sein
Verstand war richtig und sein Charakter
streng, und er war darin meinem Vater sehr
ähnlich; nur hatte dieser dabey einen gewis¬
sen Grad von Weichheit, wodurch ihm leich¬
ter ward in Geschäften nachzugeben und et¬
was gegen seine Überzeugung nicht zu thun,
aber geschehen zu lassen, und den Unwillen
darüber alsdann entweder in der Stille für
sich oder vertraulich mit seiner Familie zu
verkochen. Mein Oheim war um vieles jün¬
ger, und seine Selbstständigkeit ward durch
seine äußern Umstände nicht wenig bestätigt.
Er hatte eine sehr reiche Mutter gehabt,
und hatte von ihren nahen und fernen Ver¬
wandten noch ein großes Vermögen zu hof¬
fen; er bedurfte keines fremden Zuschusses,
anstatt daß mein Vater bey seinem mäßigen
Vermögen durch Besoldung an den Dienst
fest geknüpft war.

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nicht alles nach ſeinem Sinne ging. Sein
Verſtand war richtig und ſein Charakter
ſtreng, und er war darin meinem Vater ſehr
ähnlich; nur hatte dieſer dabey einen gewiſ¬
ſen Grad von Weichheit, wodurch ihm leich¬
ter ward in Geſchäften nachzugeben und et¬
was gegen ſeine Überzeugung nicht zu thun,
aber geſchehen zu laſſen, und den Unwillen
darüber alsdann entweder in der Stille für
ſich oder vertraulich mit ſeiner Familie zu
verkochen. Mein Oheim war um vieles jün¬
ger, und ſeine Selbſtſtändigkeit ward durch
ſeine äußern Umſtände nicht wenig beſtätigt.
Er hatte eine ſehr reiche Mutter gehabt,
und hatte von ihren nahen und fernen Ver¬
wandten noch ein großes Vermögen zu hof¬
fen; er bedurfte keines fremden Zuſchuſſes,
anſtatt daß mein Vater bey ſeinem mäßigen
Vermögen durch Beſoldung an den Dienſt
feſt geknüpft war.

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[275/0281] nicht alles nach ſeinem Sinne ging. Sein Verſtand war richtig und ſein Charakter ſtreng, und er war darin meinem Vater ſehr ähnlich; nur hatte dieſer dabey einen gewiſ¬ ſen Grad von Weichheit, wodurch ihm leich¬ ter ward in Geſchäften nachzugeben und et¬ was gegen ſeine Überzeugung nicht zu thun, aber geſchehen zu laſſen, und den Unwillen darüber alsdann entweder in der Stille für ſich oder vertraulich mit ſeiner Familie zu verkochen. Mein Oheim war um vieles jün¬ ger, und ſeine Selbſtſtändigkeit ward durch ſeine äußern Umſtände nicht wenig beſtätigt. Er hatte eine ſehr reiche Mutter gehabt, und hatte von ihren nahen und fernen Ver¬ wandten noch ein großes Vermögen zu hof¬ fen; er bedurfte keines fremden Zuſchuſſes, anſtatt daß mein Vater bey ſeinem mäßigen Vermögen durch Beſoldung an den Dienſt feſt geknüpft war. S 2

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/281>, abgerufen am 29.12.2024.