Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.ste; die andächtige Liebesgeschichte war ganz Als ich weiter heran wuchs, las ich, der Nun fing die Mutter an über das stete ſte; die andächtige Liebesgeſchichte war ganz Als ich weiter heran wuchs, las ich, der Nun fing die Mutter an über das ſtete <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0218" n="212"/> ſte; die andächtige Liebesgeſchichte war ganz<lb/> nach meinem Sinne. Begegnete ſeiner Va¬<lb/> liska irgend etwas, und es begegneten ihr<lb/> grauſame Dinge, ſo betete er erſt, eh er ihr<lb/> zu Hülfe eilte, und die Gebete ſtanden aus¬<lb/> führlich im Buche. Wie wohl gefiel mir<lb/> das! Mein Hang zu dem Unſichtbaren, den<lb/> ich immer auf eine dunkle Weiſe fühle,<lb/> ward dadurch nur vermehrt; denn ein für<lb/> allemal ſollte Gott auch mein Vertrauter<lb/> ſeyn.</p><lb/> <p>Als ich weiter heran wuchs, las ich, der<lb/> Himmel weiß was alles durch einander; aber<lb/> die römiſche Octavia behielt vor allen den<lb/> Preis. Die Verfolgungen der erſten Chriſten<lb/> in einen Roman gekleidet, erregten bey mir<lb/> das lebhafteſte Intereſſe.</p><lb/> <p>Nun fing die Mutter an über das ſtete<lb/> Leſen zu ſchmälen; der Vater nahm ihr zu<lb/> Liebe mir einen Tag die Bücher aus der<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [212/0218]
ſte; die andächtige Liebesgeſchichte war ganz
nach meinem Sinne. Begegnete ſeiner Va¬
liska irgend etwas, und es begegneten ihr
grauſame Dinge, ſo betete er erſt, eh er ihr
zu Hülfe eilte, und die Gebete ſtanden aus¬
führlich im Buche. Wie wohl gefiel mir
das! Mein Hang zu dem Unſichtbaren, den
ich immer auf eine dunkle Weiſe fühle,
ward dadurch nur vermehrt; denn ein für
allemal ſollte Gott auch mein Vertrauter
ſeyn.
Als ich weiter heran wuchs, las ich, der
Himmel weiß was alles durch einander; aber
die römiſche Octavia behielt vor allen den
Preis. Die Verfolgungen der erſten Chriſten
in einen Roman gekleidet, erregten bey mir
das lebhafteſte Intereſſe.
Nun fing die Mutter an über das ſtete
Leſen zu ſchmälen; der Vater nahm ihr zu
Liebe mir einen Tag die Bücher aus der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/218 |
Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/218>, abgerufen am 23.07.2024. |