habe, sagte er, gegenwärtig einen solchen Fall an einem vornehmen und reichen Ehepaar, wo mir bis jetzt noch alle Kunst mißglückt ist; fast gehört der Fall in Ihr Fach, lieber Pastor, und dieser junge Mann wird ihn nicht weiter erzählen.
In der Abwesenheit eines vornehmen Mannes verkleidet man, mit einem nicht ganz lobenswürdigen Scherze, einen jungen Men¬ schen in die Hauskleidung dieses Herren. Seine Gemahlin sollte dadurch angeführt werden, und ob man mir es gleich nur als eine Posse erzählt hat, so fürchte ich doch sehr, man hatte die Absicht, die edle, liebens¬ würdige Dame vom rechten Wege abzuleiten. Der Gemahl kommt unvermuthet zurück, tritt in sein Zimmer, glaubt sich selbst zu sehen, und fällt von der Zeit an in eine Melancho¬ lie, in der er die Überzeugung nährt, daß er bald sterben werde.
habe, ſagte er, gegenwärtig einen ſolchen Fall an einem vornehmen und reichen Ehepaar, wo mir bis jetzt noch alle Kunſt mißglückt iſt; faſt gehört der Fall in Ihr Fach, lieber Paſtor, und dieſer junge Mann wird ihn nicht weiter erzählen.
In der Abweſenheit eines vornehmen Mannes verkleidet man, mit einem nicht ganz lobenswürdigen Scherze, einen jungen Men¬ ſchen in die Hauskleidung dieſes Herren. Seine Gemahlin ſollte dadurch angeführt werden, und ob man mir es gleich nur als eine Poſſe erzählt hat, ſo fürchte ich doch ſehr, man hatte die Abſicht, die edle, liebens¬ würdige Dame vom rechten Wege abzuleiten. Der Gemahl kommt unvermuthet zurück, tritt in ſein Zimmer, glaubt ſich ſelbſt zu ſehen, und fällt von der Zeit an in eine Melancho¬ lie, in der er die Überzeugung nährt, daß er bald ſterben werde.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0187"n="181"/>
habe, ſagte er, gegenwärtig einen ſolchen Fall<lb/>
an einem vornehmen und reichen Ehepaar,<lb/>
wo mir bis jetzt noch alle Kunſt mißglückt<lb/>
iſt; faſt gehört der Fall in Ihr Fach, lieber<lb/>
Paſtor, und dieſer junge Mann wird ihn<lb/>
nicht weiter erzählen.</p><lb/><p>In der Abweſenheit eines vornehmen<lb/>
Mannes verkleidet man, mit einem nicht ganz<lb/>
lobenswürdigen Scherze, einen jungen Men¬<lb/>ſchen in die Hauskleidung dieſes Herren.<lb/>
Seine Gemahlin ſollte dadurch angeführt<lb/>
werden, und ob man mir es gleich nur als<lb/>
eine Poſſe erzählt hat, ſo fürchte ich doch<lb/>ſehr, man hatte die Abſicht, die edle, liebens¬<lb/>
würdige Dame vom rechten Wege abzuleiten.<lb/>
Der Gemahl kommt unvermuthet zurück, tritt<lb/>
in ſein Zimmer, glaubt ſich ſelbſt zu ſehen,<lb/>
und fällt von der Zeit an in eine Melancho¬<lb/>
lie, in der er die Überzeugung nährt, daß<lb/>
er bald ſterben werde.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[181/0187]
habe, ſagte er, gegenwärtig einen ſolchen Fall
an einem vornehmen und reichen Ehepaar,
wo mir bis jetzt noch alle Kunſt mißglückt
iſt; faſt gehört der Fall in Ihr Fach, lieber
Paſtor, und dieſer junge Mann wird ihn
nicht weiter erzählen.
In der Abweſenheit eines vornehmen
Mannes verkleidet man, mit einem nicht ganz
lobenswürdigen Scherze, einen jungen Men¬
ſchen in die Hauskleidung dieſes Herren.
Seine Gemahlin ſollte dadurch angeführt
werden, und ob man mir es gleich nur als
eine Poſſe erzählt hat, ſo fürchte ich doch
ſehr, man hatte die Abſicht, die edle, liebens¬
würdige Dame vom rechten Wege abzuleiten.
Der Gemahl kommt unvermuthet zurück, tritt
in ſein Zimmer, glaubt ſich ſelbſt zu ſehen,
und fällt von der Zeit an in eine Melancho¬
lie, in der er die Überzeugung nährt, daß
er bald ſterben werde.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/187>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.