Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

erhalten kann. Von einer Theatergesellschaft
so gut wie von einem Reiche, von einem
Zirkel Freunde so gut wie von einer Armee
läßt sich gewöhnlich der Moment angeben,
wenn sie auf der höchsten Stufe ihrer Voll¬
kommenheit, ihrer Übereinstimmung, ihrer
Zufriedenheit und Thätigkeit standen; oft
aber verändert sich schnell das Personal, neue
Glieder treten hinzu, die Personen passen
nicht mehr zu den Umständen, die Umstände
nicht mehr zu den Personen; es wird al¬
les anders, und was vorher verbunden
war, fällt nunmehr bald auseinander. So
konnte man sagen, daß Serlos Gesellschaft
eine Zeitlang so vollkommen war, als irgend
eine deutsche sich hatte rühmen können. Die
meisten Schauspieler standen an ihrem Platze;
alle hatten genug zu thun, und alle thaten
gern was zu thun war. Ihre persönlichen
Verhältnisse waren leidlich und jedes schien

erhalten kann. Von einer Theatergeſellſchaft
ſo gut wie von einem Reiche, von einem
Zirkel Freunde ſo gut wie von einer Armee
läßt ſich gewöhnlich der Moment angeben,
wenn ſie auf der höchſten Stufe ihrer Voll¬
kommenheit, ihrer Übereinſtimmung, ihrer
Zufriedenheit und Thätigkeit ſtanden; oft
aber verändert ſich ſchnell das Perſonal, neue
Glieder treten hinzu, die Perſonen paſſen
nicht mehr zu den Umſtänden, die Umſtände
nicht mehr zu den Perſonen; es wird al¬
les anders, und was vorher verbunden
war, fällt nunmehr bald auseinander. So
konnte man ſagen, daß Serlos Geſellſchaft
eine Zeitlang ſo vollkommen war, als irgend
eine deutſche ſich hatte rühmen können. Die
meiſten Schauſpieler ſtanden an ihrem Platze;
alle hatten genug zu thun, und alle thaten
gern was zu thun war. Ihre perſönlichen
Verhältniſſe waren leidlich und jedes ſchien

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0174" n="168"/>
erhalten kann. Von einer Theaterge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
&#x017F;o gut wie von einem Reiche, von einem<lb/>
Zirkel Freunde &#x017F;o gut wie von einer Armee<lb/>
läßt &#x017F;ich gewöhnlich der Moment angeben,<lb/>
wenn &#x017F;ie auf der höch&#x017F;ten Stufe ihrer Voll¬<lb/>
kommenheit, ihrer Überein&#x017F;timmung, ihrer<lb/>
Zufriedenheit und Thätigkeit &#x017F;tanden; oft<lb/>
aber verändert &#x017F;ich &#x017F;chnell das Per&#x017F;onal, neue<lb/>
Glieder treten hinzu, die Per&#x017F;onen pa&#x017F;&#x017F;en<lb/>
nicht mehr zu den Um&#x017F;tänden, die Um&#x017F;tände<lb/>
nicht mehr zu den Per&#x017F;onen; es wird al¬<lb/>
les anders, und was vorher verbunden<lb/>
war, fällt nunmehr bald auseinander. So<lb/>
konnte man &#x017F;agen, daß Serlos Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
eine Zeitlang &#x017F;o vollkommen war, als irgend<lb/>
eine deut&#x017F;che &#x017F;ich hatte rühmen können. Die<lb/>
mei&#x017F;ten Schau&#x017F;pieler &#x017F;tanden an ihrem Platze;<lb/>
alle hatten genug zu thun, und alle thaten<lb/>
gern was zu thun war. Ihre per&#x017F;önlichen<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;e waren leidlich und jedes &#x017F;chien<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0174] erhalten kann. Von einer Theatergeſellſchaft ſo gut wie von einem Reiche, von einem Zirkel Freunde ſo gut wie von einer Armee läßt ſich gewöhnlich der Moment angeben, wenn ſie auf der höchſten Stufe ihrer Voll¬ kommenheit, ihrer Übereinſtimmung, ihrer Zufriedenheit und Thätigkeit ſtanden; oft aber verändert ſich ſchnell das Perſonal, neue Glieder treten hinzu, die Perſonen paſſen nicht mehr zu den Umſtänden, die Umſtände nicht mehr zu den Perſonen; es wird al¬ les anders, und was vorher verbunden war, fällt nunmehr bald auseinander. So konnte man ſagen, daß Serlos Geſellſchaft eine Zeitlang ſo vollkommen war, als irgend eine deutſche ſich hatte rühmen können. Die meiſten Schauſpieler ſtanden an ihrem Platze; alle hatten genug zu thun, und alle thaten gern was zu thun war. Ihre perſönlichen Verhältniſſe waren leidlich und jedes ſchien

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/174
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/174>, abgerufen am 04.12.2024.