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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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penwerk aus den Händen legen, das mir
durch diese Streitigkeiten gewissermaßen in
einem andern Lichte erschienen war. Der
Oheim hatte seine Plane auf meine Schwe¬
ster in der Stille durchgeführt. Er stellte
ihr einen jungen Mann von Stande und
Vermögen als ihren Bräutigam vor, und
zeigte sich in einer reichlichen Aussteuer, wie
man es von ihm erwarten konnte. Mein
Vater willigte mit Freuden ein, die Schwe¬
ster war frey und vorbereitet, und veränder¬
te gerne ihren Stand. Die Hochzeit wurde
auf des Oheims Schloß ausgerichtet, Fami¬
lie und Freunde waren eingeladen, und wir
kamen alle mit heiterm Geiste.

Zum erstenmal in meinem Leben erregte
mir der Eintritt in ein Haus Bewunderung.
Ich hatte wohl oft von des Oheims Ge¬
schmack, von seinem italiänischen Baumeister,
von seinen Sammlungen und seiner Biblio¬

W. Meisters Lehrj 3. X

penwerk aus den Händen legen, das mir
durch dieſe Streitigkeiten gewiſſermaßen in
einem andern Lichte erſchienen war. Der
Oheim hatte ſeine Plane auf meine Schwe¬
ſter in der Stille durchgeführt. Er ſtellte
ihr einen jungen Mann von Stande und
Vermögen als ihren Bräutigam vor, und
zeigte ſich in einer reichlichen Ausſteuer, wie
man es von ihm erwarten konnte. Mein
Vater willigte mit Freuden ein, die Schwe¬
ſter war frey und vorbereitet, und veränder¬
te gerne ihren Stand. Die Hochzeit wurde
auf des Oheims Schloß ausgerichtet, Fami¬
lie und Freunde waren eingeladen, und wir
kamen alle mit heiterm Geiſte.

Zum erſtenmal in meinem Leben erregte
mir der Eintritt in ein Haus Bewunderung.
Ich hatte wohl oft von des Oheims Ge¬
ſchmack, von ſeinem italiäniſchen Baumeiſter,
von ſeinen Sammlungen und ſeiner Biblio¬

W. Meiſters Lehrj 3. X
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[321/0327] penwerk aus den Händen legen, das mir durch dieſe Streitigkeiten gewiſſermaßen in einem andern Lichte erſchienen war. Der Oheim hatte ſeine Plane auf meine Schwe¬ ſter in der Stille durchgeführt. Er ſtellte ihr einen jungen Mann von Stande und Vermögen als ihren Bräutigam vor, und zeigte ſich in einer reichlichen Ausſteuer, wie man es von ihm erwarten konnte. Mein Vater willigte mit Freuden ein, die Schwe¬ ſter war frey und vorbereitet, und veränder¬ te gerne ihren Stand. Die Hochzeit wurde auf des Oheims Schloß ausgerichtet, Fami¬ lie und Freunde waren eingeladen, und wir kamen alle mit heiterm Geiſte. Zum erſtenmal in meinem Leben erregte mir der Eintritt in ein Haus Bewunderung. Ich hatte wohl oft von des Oheims Ge¬ ſchmack, von ſeinem italiäniſchen Baumeiſter, von ſeinen Sammlungen und ſeiner Biblio¬ W. Meiſters Lehrj 3. X

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/327>, abgerufen am 28.12.2024.