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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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herbeykam, und man ohne Feuer bestehen
konnte, lag ich in meinen Frey- und Spiel¬
stunden in der Kammer, und ließ die Pup¬
pen wacker durch einander spielen. Oft lud
ich meine Geschwister und Kameraden hin¬
auf; wenn sie aber auch nicht kommen woll¬
ten, war ich allein. Meine Einbildungskraft
brütete über der kleinen Welt, die gar bald
eine andere Gestalt gewann.

Ich hatte kaum das erste Stück, wozu
Theater und Schauspieler geschaffen und ge¬
stempelt waren, etlichemal aufgeführt, als es
mir schon keine Freude mehr machte. Dage¬
gen waren mir unter den Büchern des Gro߬
vaters die deutsche Schaubühne und verschie¬
dene italienisch-deutsche Opern in die Hände
gekommen, in die ich mich sehr vertiefte und
jedesmal nur erst vorne die Personen über¬
rechnete, und dann sogleich, ohne weiters, zur
Aufführung des Stückes schritt. Da mußte

herbeykam, und man ohne Feuer beſtehen
konnte, lag ich in meinen Frey- und Spiel¬
ſtunden in der Kammer, und ließ die Pup¬
pen wacker durch einander ſpielen. Oft lud
ich meine Geſchwiſter und Kameraden hin¬
auf; wenn ſie aber auch nicht kommen woll¬
ten, war ich allein. Meine Einbildungskraft
brütete über der kleinen Welt, die gar bald
eine andere Geſtalt gewann.

Ich hatte kaum das erſte Stück, wozu
Theater und Schauſpieler geſchaffen und ge¬
ſtempelt waren, etlichemal aufgeführt, als es
mir ſchon keine Freude mehr machte. Dage¬
gen waren mir unter den Büchern des Gro߬
vaters die deutſche Schaubühne und verſchie¬
dene italieniſch–deutſche Opern in die Hände
gekommen, in die ich mich ſehr vertiefte und
jedesmal nur erſt vorne die Perſonen über¬
rechnete, und dann ſogleich, ohne weiters, zur
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[43/0051] herbeykam, und man ohne Feuer beſtehen konnte, lag ich in meinen Frey- und Spiel¬ ſtunden in der Kammer, und ließ die Pup¬ pen wacker durch einander ſpielen. Oft lud ich meine Geſchwiſter und Kameraden hin¬ auf; wenn ſie aber auch nicht kommen woll¬ ten, war ich allein. Meine Einbildungskraft brütete über der kleinen Welt, die gar bald eine andere Geſtalt gewann. Ich hatte kaum das erſte Stück, wozu Theater und Schauſpieler geſchaffen und ge¬ ſtempelt waren, etlichemal aufgeführt, als es mir ſchon keine Freude mehr machte. Dage¬ gen waren mir unter den Büchern des Gro߬ vaters die deutſche Schaubühne und verſchie¬ dene italieniſch–deutſche Opern in die Hände gekommen, in die ich mich ſehr vertiefte und jedesmal nur erſt vorne die Perſonen über¬ rechnete, und dann ſogleich, ohne weiters, zur Aufführung des Stückes ſchritt. Da mußte

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/51>, abgerufen am 09.05.2024.