Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

keit der handelnden Personen wurden mit
großem Beyfall aufgenommen. Der Vorle¬
ser that sein Möglichstes, und die Gesell¬
schaft kam ganz ausser sich. Zwischen dem
zweyten und dritten Akte kam der Punsch
in einem großen Napfe, und da in dem
Stücke selbst sehr viel getrunken und ange¬
stoßen wurde; so war nichts natürlicher, als
daß die Gesellschaft, bey jedem solchen Falle,
sich lebhaft an den Platz der Helden versetz¬
te, gleichfalls anstieß, und die Günstlinge
unter den handelnden Personen hoch leben
ließ.

Jedermann war von dem Feuer des edel¬
sten Nationalgeistes entzündet. Wie sehr ge¬
fiel es dieser deutschen Gesellschaft, sich, ihrem
Character gemäß, auf eignem Grund und
Boden poetisch zu ergötzen! Besonders tha¬
ten die Gewölbe und Keller, die verfallenen
Schlösser, das Moos und die hohlen Bäume,

keit der handelnden Perſonen wurden mit
großem Beyfall aufgenommen. Der Vorle¬
ſer that ſein Möglichſtes, und die Geſell¬
ſchaft kam ganz auſſer ſich. Zwiſchen dem
zweyten und dritten Akte kam der Punſch
in einem großen Napfe, und da in dem
Stücke ſelbſt ſehr viel getrunken und ange¬
ſtoßen wurde; ſo war nichts natürlicher, als
daß die Geſellſchaft, bey jedem ſolchen Falle,
ſich lebhaft an den Platz der Helden verſetz¬
te, gleichfalls anſtieß, und die Günſtlinge
unter den handelnden Perſonen hoch leben
ließ.

Jedermann war von dem Feuer des edel¬
ſten Nationalgeiſtes entzündet. Wie ſehr ge¬
fiel es dieſer deutſchen Geſellſchaft, ſich, ihrem
Character gemäß, auf eignem Grund und
Boden poetiſch zu ergötzen! Beſonders tha¬
ten die Gewölbe und Keller, die verfallenen
Schlöſſer, das Moos und die hohlen Bäume,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0323" n="315"/>
keit der handelnden Per&#x017F;onen wurden mit<lb/>
großem Beyfall aufgenommen. Der Vorle¬<lb/>
&#x017F;er that &#x017F;ein Möglich&#x017F;tes, und die Ge&#x017F;ell¬<lb/>
&#x017F;chaft kam ganz au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich. Zwi&#x017F;chen dem<lb/>
zweyten und dritten Akte kam der Pun&#x017F;ch<lb/>
in einem großen Napfe, und da in dem<lb/>
Stücke &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ehr viel getrunken und ange¬<lb/>
&#x017F;toßen wurde; &#x017F;o war nichts natürlicher, als<lb/>
daß die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, bey jedem &#x017F;olchen Falle,<lb/>
&#x017F;ich lebhaft an den Platz der Helden ver&#x017F;etz¬<lb/>
te, gleichfalls an&#x017F;tieß, und die Gün&#x017F;tlinge<lb/>
unter den handelnden Per&#x017F;onen hoch leben<lb/>
ließ.</p><lb/>
            <p>Jedermann war von dem Feuer des edel¬<lb/>
&#x017F;ten Nationalgei&#x017F;tes entzündet. Wie &#x017F;ehr ge¬<lb/>
fiel es die&#x017F;er deut&#x017F;chen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, &#x017F;ich, ihrem<lb/>
Character gemäß, auf eignem Grund und<lb/>
Boden poeti&#x017F;ch zu ergötzen! Be&#x017F;onders tha¬<lb/>
ten die Gewölbe und Keller, die verfallenen<lb/>
Schlö&#x017F;&#x017F;er, das Moos und die hohlen Bäume,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[315/0323] keit der handelnden Perſonen wurden mit großem Beyfall aufgenommen. Der Vorle¬ ſer that ſein Möglichſtes, und die Geſell¬ ſchaft kam ganz auſſer ſich. Zwiſchen dem zweyten und dritten Akte kam der Punſch in einem großen Napfe, und da in dem Stücke ſelbſt ſehr viel getrunken und ange¬ ſtoßen wurde; ſo war nichts natürlicher, als daß die Geſellſchaft, bey jedem ſolchen Falle, ſich lebhaft an den Platz der Helden verſetz¬ te, gleichfalls anſtieß, und die Günſtlinge unter den handelnden Perſonen hoch leben ließ. Jedermann war von dem Feuer des edel¬ ſten Nationalgeiſtes entzündet. Wie ſehr ge¬ fiel es dieſer deutſchen Geſellſchaft, ſich, ihrem Character gemäß, auf eignem Grund und Boden poetiſch zu ergötzen! Beſonders tha¬ ten die Gewölbe und Keller, die verfallenen Schlöſſer, das Moos und die hohlen Bäume,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/323
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/323>, abgerufen am 19.05.2024.