Die Zeit, in welcher sich die übrigen über ihre Angelegenheiten sehr lebhaft unterhiel¬ ten, brachte Wilhelm nachdenklich zu. Er wünschte den Alten allein zu sprechen, wünschte und fürchtete von Marianen zu hören, und befand sich in der größten Un¬ ruhe.
Die Artigkeiten der neuangekommenen Frauenzimmer konnten ihn nicht aus seinem Traume reissen; aber ein Wortwechsel, der sich erhub, machte ihn aufmerksam. Es war Friedrich, der blonde Knabe, der Philinen aufzuwarten pflegte, sich aber diesmal leb¬ haft widersetzte, als er den Tisch decken und Essen herbeyschaffen sollte. Ich habe mich verpflichtet, rief er aus, Ihnen zu dienen, aber nicht allen Menschen aufzuwarten. Sie geriethen darüber in einen heftigen Streit. Philine bestand darauf, er habe seine Schul¬ digkeit zu thun, und als er sich hartnäckig
Die Zeit, in welcher ſich die übrigen über ihre Angelegenheiten ſehr lebhaft unterhiel¬ ten, brachte Wilhelm nachdenklich zu. Er wünſchte den Alten allein zu ſprechen, wünſchte und fürchtete von Marianen zu hören, und befand ſich in der größten Un¬ ruhe.
Die Artigkeiten der neuangekommenen Frauenzimmer konnten ihn nicht aus ſeinem Traume reiſſen; aber ein Wortwechſel, der ſich erhub, machte ihn aufmerkſam. Es war Friedrich, der blonde Knabe, der Philinen aufzuwarten pflegte, ſich aber diesmal leb¬ haft widerſetzte, als er den Tiſch decken und Eſſen herbeyſchaffen ſollte. Ich habe mich verpflichtet, rief er aus, Ihnen zu dienen, aber nicht allen Menſchen aufzuwarten. Sie geriethen darüber in einen heftigen Streit. Philine beſtand darauf, er habe ſeine Schul¬ digkeit zu thun, und als er ſich hartnäckig
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0289"n="281"/><p>Die Zeit, in welcher ſich die übrigen über<lb/>
ihre Angelegenheiten ſehr lebhaft unterhiel¬<lb/>
ten, brachte Wilhelm nachdenklich zu. Er<lb/>
wünſchte den Alten allein zu ſprechen,<lb/>
wünſchte und fürchtete von Marianen zu<lb/>
hören, und befand ſich in der größten Un¬<lb/>
ruhe.</p><lb/><p>Die Artigkeiten der neuangekommenen<lb/>
Frauenzimmer konnten ihn nicht aus ſeinem<lb/>
Traume reiſſen; aber ein Wortwechſel, der<lb/>ſich erhub, machte ihn aufmerkſam. Es war<lb/>
Friedrich, der blonde Knabe, der Philinen<lb/>
aufzuwarten pflegte, ſich aber diesmal leb¬<lb/>
haft widerſetzte, als er den Tiſch decken und<lb/>
Eſſen herbeyſchaffen ſollte. Ich habe mich<lb/>
verpflichtet, rief er aus, Ihnen zu dienen,<lb/>
aber nicht allen Menſchen aufzuwarten. Sie<lb/>
geriethen darüber in einen heftigen Streit.<lb/>
Philine beſtand darauf, er habe ſeine Schul¬<lb/>
digkeit zu thun, und als er ſich hartnäckig<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[281/0289]
Die Zeit, in welcher ſich die übrigen über
ihre Angelegenheiten ſehr lebhaft unterhiel¬
ten, brachte Wilhelm nachdenklich zu. Er
wünſchte den Alten allein zu ſprechen,
wünſchte und fürchtete von Marianen zu
hören, und befand ſich in der größten Un¬
ruhe.
Die Artigkeiten der neuangekommenen
Frauenzimmer konnten ihn nicht aus ſeinem
Traume reiſſen; aber ein Wortwechſel, der
ſich erhub, machte ihn aufmerkſam. Es war
Friedrich, der blonde Knabe, der Philinen
aufzuwarten pflegte, ſich aber diesmal leb¬
haft widerſetzte, als er den Tiſch decken und
Eſſen herbeyſchaffen ſollte. Ich habe mich
verpflichtet, rief er aus, Ihnen zu dienen,
aber nicht allen Menſchen aufzuwarten. Sie
geriethen darüber in einen heftigen Streit.
Philine beſtand darauf, er habe ſeine Schul¬
digkeit zu thun, und als er ſich hartnäckig
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/289>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.