gens sehr steife Perrücke, und Philine warf ihm hundert Kußhände zu.
So wie sie ihre Glückseligkeit fand, einen Theil der Männer zu lieben und ihrer Liebe zu genießen; so war das Vergnügen nicht viel geringer, das sie sich so oft als möglich gab, die übrigen, die sie eben in diesem Au¬ genblicke nicht liebte, auf eine sehr leichtfer¬ tige Weise zum Besten zu haben.
Über den Lärm, womit sie diesen alten Freund empfing, vergaß man auf die übri¬ gen zu achten, die ihm nachfolgten. Doch glaubte Wilhelm die zwey Frauenzimmer und einen ältlichen Mann, der mit ihnen hereintrat, zu kennen. Auch entdeckte sich's bald, daß er sie alle drey, vor einigen Jah¬ ren, bey der Gesellschaft, die in seiner Vater¬ stadt spielte, mehrmals gesehen hatte. Die Töchter waren seit der Zeit heran gewach¬ sen; der Alte aber hatte sich wenig verän¬
gens ſehr ſteife Perrücke, und Philine warf ihm hundert Kußhände zu.
So wie ſie ihre Glückſeligkeit fand, einen Theil der Männer zu lieben und ihrer Liebe zu genießen; ſo war das Vergnügen nicht viel geringer, das ſie ſich ſo oft als möglich gab, die übrigen, die ſie eben in dieſem Au¬ genblicke nicht liebte, auf eine ſehr leichtfer¬ tige Weiſe zum Beſten zu haben.
Über den Lärm, womit ſie dieſen alten Freund empfing, vergaß man auf die übri¬ gen zu achten, die ihm nachfolgten. Doch glaubte Wilhelm die zwey Frauenzimmer und einen ältlichen Mann, der mit ihnen hereintrat, zu kennen. Auch entdeckte ſich’s bald, daß er ſie alle drey, vor einigen Jah¬ ren, bey der Geſellſchaft, die in ſeiner Vater¬ ſtadt ſpielte, mehrmals geſehen hatte. Die Töchter waren ſeit der Zeit heran gewach¬ ſen; der Alte aber hatte ſich wenig verän¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0286"n="278"/>
gens ſehr ſteife Perrücke, und Philine warf<lb/>
ihm hundert Kußhände zu.</p><lb/><p>So wie ſie ihre Glückſeligkeit fand, einen<lb/>
Theil der Männer zu lieben und ihrer Liebe<lb/>
zu genießen; ſo war das Vergnügen nicht<lb/>
viel geringer, das ſie ſich ſo oft als möglich<lb/>
gab, die übrigen, die ſie eben in dieſem Au¬<lb/>
genblicke nicht liebte, auf eine ſehr leichtfer¬<lb/>
tige Weiſe zum Beſten zu haben.</p><lb/><p>Über den Lärm, womit ſie dieſen alten<lb/>
Freund empfing, vergaß man auf die übri¬<lb/>
gen zu achten, die ihm nachfolgten. Doch<lb/>
glaubte Wilhelm die zwey Frauenzimmer<lb/>
und einen ältlichen Mann, der mit ihnen<lb/>
hereintrat, zu kennen. Auch entdeckte ſich’s<lb/>
bald, daß er ſie alle drey, vor einigen Jah¬<lb/>
ren, bey der Geſellſchaft, die in ſeiner Vater¬<lb/>ſtadt ſpielte, mehrmals geſehen hatte. Die<lb/>
Töchter waren ſeit der Zeit heran gewach¬<lb/>ſen; der Alte aber hatte ſich wenig verän¬<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[278/0286]
gens ſehr ſteife Perrücke, und Philine warf
ihm hundert Kußhände zu.
So wie ſie ihre Glückſeligkeit fand, einen
Theil der Männer zu lieben und ihrer Liebe
zu genießen; ſo war das Vergnügen nicht
viel geringer, das ſie ſich ſo oft als möglich
gab, die übrigen, die ſie eben in dieſem Au¬
genblicke nicht liebte, auf eine ſehr leichtfer¬
tige Weiſe zum Beſten zu haben.
Über den Lärm, womit ſie dieſen alten
Freund empfing, vergaß man auf die übri¬
gen zu achten, die ihm nachfolgten. Doch
glaubte Wilhelm die zwey Frauenzimmer
und einen ältlichen Mann, der mit ihnen
hereintrat, zu kennen. Auch entdeckte ſich’s
bald, daß er ſie alle drey, vor einigen Jah¬
ren, bey der Geſellſchaft, die in ſeiner Vater¬
ſtadt ſpielte, mehrmals geſehen hatte. Die
Töchter waren ſeit der Zeit heran gewach¬
ſen; der Alte aber hatte ſich wenig verän¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/286>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.