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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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gens sehr steife Perrücke, und Philine warf
ihm hundert Kußhände zu.

So wie sie ihre Glückseligkeit fand, einen
Theil der Männer zu lieben und ihrer Liebe
zu genießen; so war das Vergnügen nicht
viel geringer, das sie sich so oft als möglich
gab, die übrigen, die sie eben in diesem Au¬
genblicke nicht liebte, auf eine sehr leichtfer¬
tige Weise zum Besten zu haben.

Über den Lärm, womit sie diesen alten
Freund empfing, vergaß man auf die übri¬
gen zu achten, die ihm nachfolgten. Doch
glaubte Wilhelm die zwey Frauenzimmer
und einen ältlichen Mann, der mit ihnen
hereintrat, zu kennen. Auch entdeckte sich's
bald, daß er sie alle drey, vor einigen Jah¬
ren, bey der Gesellschaft, die in seiner Vater¬
stadt spielte, mehrmals gesehen hatte. Die
Töchter waren seit der Zeit heran gewach¬
sen; der Alte aber hatte sich wenig verän¬

gens ſehr ſteife Perrücke, und Philine warf
ihm hundert Kußhände zu.

So wie ſie ihre Glückſeligkeit fand, einen
Theil der Männer zu lieben und ihrer Liebe
zu genießen; ſo war das Vergnügen nicht
viel geringer, das ſie ſich ſo oft als möglich
gab, die übrigen, die ſie eben in dieſem Au¬
genblicke nicht liebte, auf eine ſehr leichtfer¬
tige Weiſe zum Beſten zu haben.

Über den Lärm, womit ſie dieſen alten
Freund empfing, vergaß man auf die übri¬
gen zu achten, die ihm nachfolgten. Doch
glaubte Wilhelm die zwey Frauenzimmer
und einen ältlichen Mann, der mit ihnen
hereintrat, zu kennen. Auch entdeckte ſich’s
bald, daß er ſie alle drey, vor einigen Jah¬
ren, bey der Geſellſchaft, die in ſeiner Vater¬
ſtadt ſpielte, mehrmals geſehen hatte. Die
Töchter waren ſeit der Zeit heran gewach¬
ſen; der Alte aber hatte ſich wenig verän¬

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[278/0286] gens ſehr ſteife Perrücke, und Philine warf ihm hundert Kußhände zu. So wie ſie ihre Glückſeligkeit fand, einen Theil der Männer zu lieben und ihrer Liebe zu genießen; ſo war das Vergnügen nicht viel geringer, das ſie ſich ſo oft als möglich gab, die übrigen, die ſie eben in dieſem Au¬ genblicke nicht liebte, auf eine ſehr leichtfer¬ tige Weiſe zum Beſten zu haben. Über den Lärm, womit ſie dieſen alten Freund empfing, vergaß man auf die übri¬ gen zu achten, die ihm nachfolgten. Doch glaubte Wilhelm die zwey Frauenzimmer und einen ältlichen Mann, der mit ihnen hereintrat, zu kennen. Auch entdeckte ſich’s bald, daß er ſie alle drey, vor einigen Jah¬ ren, bey der Geſellſchaft, die in ſeiner Vater¬ ſtadt ſpielte, mehrmals geſehen hatte. Die Töchter waren ſeit der Zeit heran gewach¬ ſen; der Alte aber hatte ſich wenig verän¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/286>, abgerufen am 25.11.2024.