das ganze Stück auswendig lerntest, ich wur¬ de es erst gewahr, als du eines Abends dir einen Goliath und David von Wachs mach¬ test, sie beyde gegen einander peroriren lies¬ sest, dem Riesen endlich einen Stoß gabst und sein unförmliches Haupt auf einer gro¬ ßen Stecknadel mit wächsernem Griff dem kleinen David in die Hand klebtest. Ich hatte damals so eine herzliche mütterliche Freude über dein gutes Gedächtniß und dei¬ ne pathetische Rede, daß ich mir sogleich vor¬ nahm, dir die hölzerne Truppe nun selbst zu übergeben. Ich dachte damals nicht, daß es mir so manche verdrießliche Stunde machen sollte. --
Lassen Sie sich's nicht gereuen, versetzte Wilhelm: denn es haben uns diese Scherze manche vergnügte Stunde gemacht.
Und mit diesem erbat er sich die Schlüs¬ sel, eilte, fand die Puppen und war einen
Au¬
das ganze Stück auswendig lernteſt, ich wur¬ de es erſt gewahr, als du eines Abends dir einen Goliath und David von Wachs mach¬ teſt, ſie beyde gegen einander peroriren lieſ¬ ſeſt, dem Rieſen endlich einen Stoß gabſt und ſein unförmliches Haupt auf einer gro¬ ßen Stecknadel mit wächſernem Griff dem kleinen David in die Hand klebteſt. Ich hatte damals ſo eine herzliche mütterliche Freude über dein gutes Gedächtniß und dei¬ ne pathetiſche Rede, daß ich mir ſogleich vor¬ nahm, dir die hölzerne Truppe nun ſelbſt zu übergeben. Ich dachte damals nicht, daß es mir ſo manche verdrießliche Stunde machen ſollte. —
Laſſen Sie ſich’s nicht gereuen, verſetzte Wilhelm: denn es haben uns dieſe Scherze manche vergnügte Stunde gemacht.
Und mit dieſem erbat er ſich die Schlüſ¬ ſel, eilte, fand die Puppen und war einen
Au¬
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das ganze Stück auswendig lernteſt, ich wur¬
de es erſt gewahr, als du eines Abends dir
einen Goliath und David von Wachs mach¬
teſt, ſie beyde gegen einander peroriren lieſ¬
ſeſt, dem Rieſen endlich einen Stoß gabſt
und ſein unförmliches Haupt auf einer gro¬
ßen Stecknadel mit wächſernem Griff dem
kleinen David in die Hand klebteſt. Ich
hatte damals ſo eine herzliche mütterliche
Freude über dein gutes Gedächtniß und dei¬
ne pathetiſche Rede, daß ich mir ſogleich vor¬
nahm, dir die hölzerne Truppe nun ſelbſt zu
übergeben. Ich dachte damals nicht, daß es
mir ſo manche verdrießliche Stunde machen
ſollte. —
Laſſen Sie ſich’s nicht gereuen, verſetzte
Wilhelm: denn es haben uns dieſe Scherze
manche vergnügte Stunde gemacht.
Und mit dieſem erbat er ſich die Schlüſ¬
ſel, eilte, fand die Puppen und war einen
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/24>, abgerufen am 27.04.2024.
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