Gewöhnt, auf diese Weise sich selbst zu quä¬ len, griff er nun auch das übrige, was ihm nach der Liebe und mit der Liebe die größten Freuden und Hoffnungen gegeben hatte, sein Talent als Dichter und Schauspieler, mit hämischer Kritik von allen Seiten an. Er sah in seinen Arbeiten nichts als eine geist¬ lose Nachahmung einiger hergebrachten For¬ men, ohne innern Werth; er wollte darin nur steife Schulexercitien erkennen, denen es an jedem Funken von Naturell, Wahrheit und Begeisterung fehle. In seinen Gedich¬ ten fand er nur ein monotones Sylbenmaaß, in welchem, durch einen armseligen Reim zu¬ sammen gehalten, ganz gemeine Gedanken und Empfindungen sich hinschleppten, und
so
Zweytes Capitel.
Gewöhnt, auf dieſe Weiſe ſich ſelbſt zu quä¬ len, griff er nun auch das übrige, was ihm nach der Liebe und mit der Liebe die größten Freuden und Hoffnungen gegeben hatte, ſein Talent als Dichter und Schauſpieler, mit hämiſcher Kritik von allen Seiten an. Er ſah in ſeinen Arbeiten nichts als eine geiſt¬ loſe Nachahmung einiger hergebrachten For¬ men, ohne innern Werth; er wollte darin nur ſteife Schulexercitien erkennen, denen es an jedem Funken von Naturell, Wahrheit und Begeiſterung fehle. In ſeinen Gedich¬ ten fand er nur ein monotones Sylbenmaaß, in welchem, durch einen armſeligen Reim zu¬ ſammen gehalten, ganz gemeine Gedanken und Empfindungen ſich hinſchleppten, und
ſo
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Zweytes Capitel.
Gewöhnt, auf dieſe Weiſe ſich ſelbſt zu quä¬
len, griff er nun auch das übrige, was ihm
nach der Liebe und mit der Liebe die größten
Freuden und Hoffnungen gegeben hatte, ſein
Talent als Dichter und Schauſpieler, mit
hämiſcher Kritik von allen Seiten an. Er
ſah in ſeinen Arbeiten nichts als eine geiſt¬
loſe Nachahmung einiger hergebrachten For¬
men, ohne innern Werth; er wollte darin
nur ſteife Schulexercitien erkennen, denen es
an jedem Funken von Naturell, Wahrheit
und Begeiſterung fehle. In ſeinen Gedich¬
ten fand er nur ein monotones Sylbenmaaß,
in welchem, durch einen armſeligen Reim zu¬
ſammen gehalten, ganz gemeine Gedanken
und Empfindungen ſich hinſchleppten, und
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/200>, abgerufen am 27.11.2024.
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