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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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einem Bräutigam, der ahndungsvoll, welch'
eine neue Welt sich in ihm und durch ihn
entwickeln wird, auf den festlichen Teppi¬
chen steht, und, während der heiligen Ze¬
remonien, sich gedankenvoll lüstern vor die
geheimnißreichen Vorhänge versetzt, woher
ihm die Lieblichkeit der Liebe entgegen säu¬
selt.

Ich habe über mich gewonnen, dich in
einigen Tagen nicht zu sehen, es war leicht
in Hoffnung einer solchen Entschädigung,
ewig mit dir zu seyn, ganz der deinige zu
bleiben! Soll ich wiederholen was ich
wünsche? und doch ist es nöthig; denn es
scheint, als habest du mich bisher nicht
verstanden.

Wie oft habe ich mit leisen Tönen der
Treue, die, weil sie alles zu halten wünscht,
wenig zu sagen wagt, an deinem Herzen
geforscht nach dem Verlangen einer ewi¬

einem Bräutigam, der ahndungsvoll, welch’
eine neue Welt ſich in ihm und durch ihn
entwickeln wird, auf den feſtlichen Teppi¬
chen ſteht, und, während der heiligen Ze¬
remonien, ſich gedankenvoll lüſtern vor die
geheimnißreichen Vorhänge verſetzt, woher
ihm die Lieblichkeit der Liebe entgegen ſäu¬
ſelt.

Ich habe über mich gewonnen, dich in
einigen Tagen nicht zu ſehen, es war leicht
in Hoffnung einer ſolchen Entſchädigung,
ewig mit dir zu ſeyn, ganz der deinige zu
bleiben! Soll ich wiederholen was ich
wünſche? und doch iſt es nöthig; denn es
ſcheint, als habeſt du mich bisher nicht
verſtanden.

Wie oft habe ich mit leiſen Tönen der
Treue, die, weil ſie alles zu halten wünſcht,
wenig zu ſagen wagt, an deinem Herzen
geforſcht nach dem Verlangen einer ewi¬

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[153/0161] einem Bräutigam, der ahndungsvoll, welch’ eine neue Welt ſich in ihm und durch ihn entwickeln wird, auf den feſtlichen Teppi¬ chen ſteht, und, während der heiligen Ze¬ remonien, ſich gedankenvoll lüſtern vor die geheimnißreichen Vorhänge verſetzt, woher ihm die Lieblichkeit der Liebe entgegen ſäu¬ ſelt. Ich habe über mich gewonnen, dich in einigen Tagen nicht zu ſehen, es war leicht in Hoffnung einer ſolchen Entſchädigung, ewig mit dir zu ſeyn, ganz der deinige zu bleiben! Soll ich wiederholen was ich wünſche? und doch iſt es nöthig; denn es ſcheint, als habeſt du mich bisher nicht verſtanden. Wie oft habe ich mit leiſen Tönen der Treue, die, weil ſie alles zu halten wünſcht, wenig zu ſagen wagt, an deinem Herzen geforſcht nach dem Verlangen einer ewi¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/161>, abgerufen am 08.05.2024.