Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

men, der von einer Bürgerwache mehr lä¬
cherlich als fürchterlich umgeben war. Ein
unförmlicher Stadtschreiber ritt voraus, und
komplimentirte mit dem gegenseitigen Aktua¬
rius (denn das war der junge Mann, mit
dem Wilhelm gesprochen hatte) an der Grän¬
ze mit großer Gewissenhaftigkeit und wun¬
derlichen Gebärden, wie es etwa Geist und
Zauberer, der eine inner- der andere außer¬
halb des Kreises, bey gefährlichen nächtlichen
Operationen thun mögen.

Die Aufmerksamkeit der Zuschauer war
indeß auf den Bauerwagen gerichtet, und
man betrachtete die armen Verirrten nicht
ohne Mitleiden, die auf ein paar Bündeln
Stroh bey einander saßen, sich zärtlich an¬
blickten, und die Umstehenden kaum zu be¬
merken schienen. Zufälligerweise hatte man
sich genöthigt gesehen, sie von dem letzten
Dorfe auf eine so unschickliche Art fort zu

men, der von einer Bürgerwache mehr lä¬
cherlich als fürchterlich umgeben war. Ein
unförmlicher Stadtſchreiber ritt voraus, und
komplimentirte mit dem gegenſeitigen Aktua¬
rius (denn das war der junge Mann, mit
dem Wilhelm geſprochen hatte) an der Grän¬
ze mit großer Gewiſſenhaftigkeit und wun¬
derlichen Gebärden, wie es etwa Geiſt und
Zauberer, der eine inner- der andere außer¬
halb des Kreiſes, bey gefährlichen nächtlichen
Operationen thun mögen.

Die Aufmerkſamkeit der Zuſchauer war
indeß auf den Bauerwagen gerichtet, und
man betrachtete die armen Verirrten nicht
ohne Mitleiden, die auf ein paar Bündeln
Stroh bey einander ſaßen, ſich zärtlich an¬
blickten, und die Umſtehenden kaum zu be¬
merken ſchienen. Zufälligerweiſe hatte man
ſich genöthigt geſehen, ſie von dem letzten
Dorfe auf eine ſo unſchickliche Art fort zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0118" n="110"/>
men, der von einer Bürgerwache mehr lä¬<lb/>
cherlich als fürchterlich umgeben war. Ein<lb/>
unförmlicher Stadt&#x017F;chreiber ritt voraus, und<lb/>
komplimentirte mit dem gegen&#x017F;eitigen Aktua¬<lb/>
rius (denn das war der junge Mann, mit<lb/>
dem Wilhelm ge&#x017F;prochen hatte) an der Grän¬<lb/>
ze mit großer Gewi&#x017F;&#x017F;enhaftigkeit und wun¬<lb/>
derlichen Gebärden, wie es etwa Gei&#x017F;t und<lb/>
Zauberer, der eine inner- der andere außer¬<lb/>
halb des Krei&#x017F;es, bey gefährlichen nächtlichen<lb/>
Operationen thun mögen.</p><lb/>
            <p>Die Aufmerk&#x017F;amkeit der Zu&#x017F;chauer war<lb/>
indeß auf den Bauerwagen gerichtet, und<lb/>
man betrachtete die armen Verirrten nicht<lb/>
ohne Mitleiden, die auf ein paar Bündeln<lb/>
Stroh bey einander &#x017F;aßen, &#x017F;ich zärtlich an¬<lb/>
blickten, und die Um&#x017F;tehenden kaum zu be¬<lb/>
merken &#x017F;chienen. Zufälligerwei&#x017F;e hatte man<lb/>
&#x017F;ich genöthigt ge&#x017F;ehen, &#x017F;ie von dem letzten<lb/>
Dorfe auf eine &#x017F;o un&#x017F;chickliche Art fort zu<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0118] men, der von einer Bürgerwache mehr lä¬ cherlich als fürchterlich umgeben war. Ein unförmlicher Stadtſchreiber ritt voraus, und komplimentirte mit dem gegenſeitigen Aktua¬ rius (denn das war der junge Mann, mit dem Wilhelm geſprochen hatte) an der Grän¬ ze mit großer Gewiſſenhaftigkeit und wun¬ derlichen Gebärden, wie es etwa Geiſt und Zauberer, der eine inner- der andere außer¬ halb des Kreiſes, bey gefährlichen nächtlichen Operationen thun mögen. Die Aufmerkſamkeit der Zuſchauer war indeß auf den Bauerwagen gerichtet, und man betrachtete die armen Verirrten nicht ohne Mitleiden, die auf ein paar Bündeln Stroh bey einander ſaßen, ſich zärtlich an¬ blickten, und die Umſtehenden kaum zu be¬ merken ſchienen. Zufälligerweiſe hatte man ſich genöthigt geſehen, ſie von dem letzten Dorfe auf eine ſo unſchickliche Art fort zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/118
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/118>, abgerufen am 08.05.2024.