Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

ter sprang, ihr meine Entdeckung mitzutheilen,
gestand sie mir, daß sie es schon wisse. Der
Autor, beängstigt über den schlimmen Erfolg
bey einer, wie ihm däuchte, so guten und
löblichen Absicht, hatte sich ihr entdeckt und
um Fürsprache gebeten, damit meine aus¬
gestoßene Drohung, ich würde mit dem Ver¬
fasser, wegen misbrauchten Vertrauens, kei¬
nen Umgang mehr haben, an ihm nicht er¬
füllt werden möchte. Hier kam ihm nun sehr
zu statten, daß ich es selbst entdeckt hatte
und durch das Behagen, wovon ein jedes ei¬
gene Gewahrwerden begleitet wird, zur Ver¬
söhnung gestimmt war. Der Fehler war ver¬
ziehen, der zu einem solchen Beweis meiner
Spürkraft Gelegenheit gegeben hatte. In¬
dessen war das Publikum so leicht nicht zu
überzeugen, daß Wagner der Verfasser sey,
und daß ich keine Hand mit im Spiel ge¬
habt habe. Man traute ihm diese Vielseitig¬
keit nicht zu, weil man nicht bedachte, daß
er alles was in einer geistreichen Gesellschaft

ter ſprang, ihr meine Entdeckung mitzutheilen,
geſtand ſie mir, daß ſie es ſchon wiſſe. Der
Autor, beaͤngſtigt uͤber den ſchlimmen Erfolg
bey einer, wie ihm daͤuchte, ſo guten und
loͤblichen Abſicht, hatte ſich ihr entdeckt und
um Fuͤrſprache gebeten, damit meine aus¬
geſtoßene Drohung, ich wuͤrde mit dem Ver¬
faſſer, wegen misbrauchten Vertrauens, kei¬
nen Umgang mehr haben, an ihm nicht er¬
fuͤllt werden moͤchte. Hier kam ihm nun ſehr
zu ſtatten, daß ich es ſelbſt entdeckt hatte
und durch das Behagen, wovon ein jedes ei¬
gene Gewahrwerden begleitet wird, zur Ver¬
ſoͤhnung geſtimmt war. Der Fehler war ver¬
ziehen, der zu einem ſolchen Beweis meiner
Spuͤrkraft Gelegenheit gegeben hatte. In¬
deſſen war das Publikum ſo leicht nicht zu
uͤberzeugen, daß Wagner der Verfaſſer ſey,
und daß ich keine Hand mit im Spiel ge¬
habt habe. Man traute ihm dieſe Vielſeitig¬
keit nicht zu, weil man nicht bedachte, daß
er alles was in einer geiſtreichen Geſellſchaft

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0514" n="506"/>
ter &#x017F;prang, ihr meine Entdeckung mitzutheilen,<lb/>
ge&#x017F;tand &#x017F;ie mir, daß &#x017F;ie es &#x017F;chon wi&#x017F;&#x017F;e. Der<lb/>
Autor, bea&#x0364;ng&#x017F;tigt u&#x0364;ber den &#x017F;chlimmen Erfolg<lb/>
bey einer, wie ihm da&#x0364;uchte, &#x017F;o guten und<lb/>
lo&#x0364;blichen Ab&#x017F;icht, hatte &#x017F;ich ihr entdeckt und<lb/>
um Fu&#x0364;r&#x017F;prache gebeten, damit meine aus¬<lb/>
ge&#x017F;toßene Drohung, ich wu&#x0364;rde mit dem Ver¬<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;er, wegen misbrauchten Vertrauens, kei¬<lb/>
nen Umgang mehr haben, an ihm nicht er¬<lb/>
fu&#x0364;llt werden mo&#x0364;chte. Hier kam ihm nun &#x017F;ehr<lb/>
zu &#x017F;tatten, daß ich es &#x017F;elb&#x017F;t entdeckt hatte<lb/>
und durch das Behagen, wovon ein jedes ei¬<lb/>
gene Gewahrwerden begleitet wird, zur Ver¬<lb/>
&#x017F;o&#x0364;hnung ge&#x017F;timmt war. Der Fehler war ver¬<lb/>
ziehen, der zu einem &#x017F;olchen Beweis meiner<lb/>
Spu&#x0364;rkraft Gelegenheit gegeben hatte. In¬<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en war das Publikum &#x017F;o leicht nicht zu<lb/>
u&#x0364;berzeugen, daß Wagner der Verfa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ey,<lb/>
und daß ich keine Hand mit im Spiel ge¬<lb/>
habt habe. Man traute ihm die&#x017F;e Viel&#x017F;eitig¬<lb/>
keit nicht zu, weil man nicht bedachte, daß<lb/>
er alles was in einer gei&#x017F;treichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[506/0514] ter ſprang, ihr meine Entdeckung mitzutheilen, geſtand ſie mir, daß ſie es ſchon wiſſe. Der Autor, beaͤngſtigt uͤber den ſchlimmen Erfolg bey einer, wie ihm daͤuchte, ſo guten und loͤblichen Abſicht, hatte ſich ihr entdeckt und um Fuͤrſprache gebeten, damit meine aus¬ geſtoßene Drohung, ich wuͤrde mit dem Ver¬ faſſer, wegen misbrauchten Vertrauens, kei¬ nen Umgang mehr haben, an ihm nicht er¬ fuͤllt werden moͤchte. Hier kam ihm nun ſehr zu ſtatten, daß ich es ſelbſt entdeckt hatte und durch das Behagen, wovon ein jedes ei¬ gene Gewahrwerden begleitet wird, zur Ver¬ ſoͤhnung geſtimmt war. Der Fehler war ver¬ ziehen, der zu einem ſolchen Beweis meiner Spuͤrkraft Gelegenheit gegeben hatte. In¬ deſſen war das Publikum ſo leicht nicht zu uͤberzeugen, daß Wagner der Verfaſſer ſey, und daß ich keine Hand mit im Spiel ge¬ habt habe. Man traute ihm dieſe Vielſeitig¬ keit nicht zu, weil man nicht bedachte, daß er alles was in einer geiſtreichen Geſellſchaft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/514
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/514>, abgerufen am 25.11.2024.