Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

neswegs ängstlichen Richtung seines Geistes,
blieb er nicht unempfindlich, wenn durch Le¬
bensvorfälle die Gemüther munter und lustig
aufgeregt wurden. Er war theilnehmend,
geistreich, witzig, und mochte das Gleiche gern
an andern, nur daß es innerhalb der Gren¬
zen bliebe, die seine zarten Gesinnungen ihm
vorschrieben. Wagte man sich allenfalls da¬
rüber hinaus, so pflegte er einem auf die
Achsel zu klopfen, und den Verwegenen durch
ein treuherziges Bisch guet! zur Sitte auf¬
zufordern. Diese Reise gereichte mir zu man¬
cherley Belehrung und Belebung, die mir
aber mehr in der Kenntniß seines Characters
als in der Reglung und Bildung des meini¬
gen zu Theil ward. In Ems sah ich ihn
gleich wieder von Gesellschaft aller Art um¬
ringt, und kehrte nach Frankfurt zurück,
weil meine kleinen Geschäfte gerade auf der
Bahn waren, so daß ich sie kaum verlassen
durfte.

neswegs aͤngſtlichen Richtung ſeines Geiſtes,
blieb er nicht unempfindlich, wenn durch Le¬
bensvorfaͤlle die Gemuͤther munter und luſtig
aufgeregt wurden. Er war theilnehmend,
geiſtreich, witzig, und mochte das Gleiche gern
an andern, nur daß es innerhalb der Gren¬
zen bliebe, die ſeine zarten Geſinnungen ihm
vorſchrieben. Wagte man ſich allenfalls da¬
ruͤber hinaus, ſo pflegte er einem auf die
Achſel zu klopfen, und den Verwegenen durch
ein treuherziges Biſch guet! zur Sitte auf¬
zufordern. Dieſe Reiſe gereichte mir zu man¬
cherley Belehrung und Belebung, die mir
aber mehr in der Kenntniß ſeines Characters
als in der Reglung und Bildung des meini¬
gen zu Theil ward. In Ems ſah ich ihn
gleich wieder von Geſellſchaft aller Art um¬
ringt, und kehrte nach Frankfurt zuruͤck,
weil meine kleinen Geſchaͤfte gerade auf der
Bahn waren, ſo daß ich ſie kaum verlaſſen
durfte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0422" n="414"/>
neswegs a&#x0364;ng&#x017F;tlichen Richtung &#x017F;eines Gei&#x017F;tes,<lb/>
blieb er nicht unempfindlich, wenn durch Le¬<lb/>
bensvorfa&#x0364;lle die Gemu&#x0364;ther munter und lu&#x017F;tig<lb/>
aufgeregt wurden. Er war theilnehmend,<lb/>
gei&#x017F;treich, witzig, und mochte das Gleiche gern<lb/>
an andern, nur daß es innerhalb der Gren¬<lb/>
zen bliebe, die &#x017F;eine zarten Ge&#x017F;innungen ihm<lb/>
vor&#x017F;chrieben. Wagte man &#x017F;ich allenfalls da¬<lb/>
ru&#x0364;ber hinaus, &#x017F;o pflegte er einem auf die<lb/>
Ach&#x017F;el zu klopfen, und den Verwegenen durch<lb/>
ein treuherziges <hi rendition="#g">Bi&#x017F;ch guet</hi>! zur Sitte auf¬<lb/>
zufordern. Die&#x017F;e Rei&#x017F;e gereichte mir zu man¬<lb/>
cherley Belehrung und Belebung, die mir<lb/>
aber mehr in der Kenntniß &#x017F;eines Characters<lb/>
als in der Reglung und Bildung des meini¬<lb/>
gen zu Theil ward. In Ems &#x017F;ah ich ihn<lb/>
gleich wieder von Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft aller Art um¬<lb/>
ringt, und kehrte nach Frankfurt zuru&#x0364;ck,<lb/>
weil meine kleinen Ge&#x017F;cha&#x0364;fte gerade auf der<lb/>
Bahn waren, &#x017F;o daß ich &#x017F;ie kaum verla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
durfte.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[414/0422] neswegs aͤngſtlichen Richtung ſeines Geiſtes, blieb er nicht unempfindlich, wenn durch Le¬ bensvorfaͤlle die Gemuͤther munter und luſtig aufgeregt wurden. Er war theilnehmend, geiſtreich, witzig, und mochte das Gleiche gern an andern, nur daß es innerhalb der Gren¬ zen bliebe, die ſeine zarten Geſinnungen ihm vorſchrieben. Wagte man ſich allenfalls da¬ ruͤber hinaus, ſo pflegte er einem auf die Achſel zu klopfen, und den Verwegenen durch ein treuherziges Biſch guet! zur Sitte auf¬ zufordern. Dieſe Reiſe gereichte mir zu man¬ cherley Belehrung und Belebung, die mir aber mehr in der Kenntniß ſeines Characters als in der Reglung und Bildung des meini¬ gen zu Theil ward. In Ems ſah ich ihn gleich wieder von Geſellſchaft aller Art um¬ ringt, und kehrte nach Frankfurt zuruͤck, weil meine kleinen Geſchaͤfte gerade auf der Bahn waren, ſo daß ich ſie kaum verlaſſen durfte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/422
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/422>, abgerufen am 24.11.2024.