schiedenen Reisen, besonders aber bey einem Aufenthalte in der Schweiz, viele Bekannt¬ schaften, und da er angenehm und einschmei¬ chelnd war, viele Gunst erworben. Er führte mehrere Chatoullen bey sich, welche den ver¬ trauten Briefwechsel mit mehreren Freunden enthielten: denn es war überhaupt eine so all¬ gemeine Offenherzigkeit unter den Menschen, daß man mit keinem Einzelnen sprechen, oder an ihn schreiben konnte, ohne es zugleich als an mehrere gerichtet zu betrachten. Man spähte sein eigen Herz aus und das Herz der andern, und bey der Gleichgültigkeit der Regierungen gegen eine solche Mittheilung, bey der durch¬ greifenden Schnelligkeit der Taxischen Posten, der Sicherheit des Siegels, dem leidlichen Porto, griff dieser sittliche und literarische Ver¬ kehr bald weiter um sich.
Solche Correspondenzen, besonders mit be¬ deutenden Personen, wurden sorgfältig gesam¬ melt und alsdann, bey freundschaftlichen Zu¬
ſchiedenen Reiſen, beſonders aber bey einem Aufenthalte in der Schweiz, viele Bekannt¬ ſchaften, und da er angenehm und einſchmei¬ chelnd war, viele Gunſt erworben. Er fuͤhrte mehrere Chatoullen bey ſich, welche den ver¬ trauten Briefwechſel mit mehreren Freunden enthielten: denn es war uͤberhaupt eine ſo all¬ gemeine Offenherzigkeit unter den Menſchen, daß man mit keinem Einzelnen ſprechen, oder an ihn ſchreiben konnte, ohne es zugleich als an mehrere gerichtet zu betrachten. Man ſpaͤhte ſein eigen Herz aus und das Herz der andern, und bey der Gleichguͤltigkeit der Regierungen gegen eine ſolche Mittheilung, bey der durch¬ greifenden Schnelligkeit der Taxiſchen Poſten, der Sicherheit des Siegels, dem leidlichen Porto, griff dieſer ſittliche und literariſche Ver¬ kehr bald weiter um ſich.
Solche Correſpondenzen, beſonders mit be¬ deutenden Perſonen, wurden ſorgfaͤltig geſam¬ melt und alsdann, bey freundſchaftlichen Zu¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0280"n="272"/>ſchiedenen Reiſen, beſonders aber bey einem<lb/>
Aufenthalte in der Schweiz, viele Bekannt¬<lb/>ſchaften, und da er angenehm und einſchmei¬<lb/>
chelnd war, viele Gunſt erworben. Er fuͤhrte<lb/>
mehrere Chatoullen bey ſich, welche den ver¬<lb/>
trauten Briefwechſel mit mehreren Freunden<lb/>
enthielten: denn es war uͤberhaupt eine ſo all¬<lb/>
gemeine Offenherzigkeit unter den Menſchen,<lb/>
daß man mit keinem Einzelnen ſprechen, oder<lb/>
an ihn ſchreiben konnte, ohne es zugleich als<lb/>
an mehrere gerichtet zu betrachten. Man ſpaͤhte<lb/>ſein eigen Herz aus und das Herz der andern,<lb/>
und bey der Gleichguͤltigkeit der Regierungen<lb/>
gegen eine ſolche Mittheilung, bey der durch¬<lb/>
greifenden Schnelligkeit der Taxiſchen Poſten,<lb/>
der Sicherheit des Siegels, dem leidlichen<lb/>
Porto, griff dieſer ſittliche und literariſche Ver¬<lb/>
kehr bald weiter um ſich.</p><lb/><p>Solche Correſpondenzen, beſonders mit be¬<lb/>
deutenden Perſonen, wurden ſorgfaͤltig geſam¬<lb/>
melt und alsdann, bey freundſchaftlichen Zu¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[272/0280]
ſchiedenen Reiſen, beſonders aber bey einem
Aufenthalte in der Schweiz, viele Bekannt¬
ſchaften, und da er angenehm und einſchmei¬
chelnd war, viele Gunſt erworben. Er fuͤhrte
mehrere Chatoullen bey ſich, welche den ver¬
trauten Briefwechſel mit mehreren Freunden
enthielten: denn es war uͤberhaupt eine ſo all¬
gemeine Offenherzigkeit unter den Menſchen,
daß man mit keinem Einzelnen ſprechen, oder
an ihn ſchreiben konnte, ohne es zugleich als
an mehrere gerichtet zu betrachten. Man ſpaͤhte
ſein eigen Herz aus und das Herz der andern,
und bey der Gleichguͤltigkeit der Regierungen
gegen eine ſolche Mittheilung, bey der durch¬
greifenden Schnelligkeit der Taxiſchen Poſten,
der Sicherheit des Siegels, dem leidlichen
Porto, griff dieſer ſittliche und literariſche Ver¬
kehr bald weiter um ſich.
Solche Correſpondenzen, beſonders mit be¬
deutenden Perſonen, wurden ſorgfaͤltig geſam¬
melt und alsdann, bey freundſchaftlichen Zu¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/280>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.