Jene Gesnerschen Radirungen vermehrten die Lust und den Antheil an ländlichen Ge¬ genständen, und ein kleines Gedicht, welches wir in unsern engern Kreis mit Leidenschaft aufnahmen, ließ uns von nun an nichts an¬ ders mehr beachten. Das deserted village von Goldsmith, mußte Jederman auf jener Bildungsstufe, in jenem Gesinnungskreise, höch¬ lich zusagen. Nicht als lebendig oder wirk¬ sam, sondern als ein vergangenes verschwun¬ denes Daseyn, ward alles das geschildert was man so gern mit Augen sah, was man lieb¬ te, schätzte, in der Gegenwart leidenschaftlich aufsuchte, um jugendlich munter Theil daran zu nehmen. Fest- und Feyertage auf dem Lan¬ de, Kirchweihen und Jahrmärkte, dabey un¬ ter der Dorflinde erst die ernste Versammlung der Aeltesten, verdrängt von der heftigern Tanzlust der Jüngern, und wohl gar die Theil¬ nahme gebildeter Stände. Wie schicklich er¬ schienen diese Vergnügungen, gemäßigt durch einen braven Landgeistlichen, der auch dasje¬
Jene Gesnerſchen Radirungen vermehrten die Luſt und den Antheil an laͤndlichen Ge¬ genſtaͤnden, und ein kleines Gedicht, welches wir in unſern engern Kreis mit Leidenſchaft aufnahmen, ließ uns von nun an nichts an¬ ders mehr beachten. Das deserted village von Goldſmith, mußte Jederman auf jener Bildungsſtufe, in jenem Geſinnungskreiſe, hoͤch¬ lich zuſagen. Nicht als lebendig oder wirk¬ ſam, ſondern als ein vergangenes verſchwun¬ denes Daſeyn, ward alles das geſchildert was man ſo gern mit Augen ſah, was man lieb¬ te, ſchaͤtzte, in der Gegenwart leidenſchaftlich aufſuchte, um jugendlich munter Theil daran zu nehmen. Feſt- und Feyertage auf dem Lan¬ de, Kirchweihen und Jahrmaͤrkte, dabey un¬ ter der Dorflinde erſt die ernſte Verſammlung der Aelteſten, verdraͤngt von der heftigern Tanzluſt der Juͤngern, und wohl gar die Theil¬ nahme gebildeter Staͤnde. Wie ſchicklich er¬ ſchienen dieſe Vergnuͤgungen, gemaͤßigt durch einen braven Landgeiſtlichen, der auch dasje¬
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Jene Gesnerſchen Radirungen vermehrten
die Luſt und den Antheil an laͤndlichen Ge¬
genſtaͤnden, und ein kleines Gedicht, welches
wir in unſern engern Kreis mit Leidenſchaft
aufnahmen, ließ uns von nun an nichts an¬
ders mehr beachten. Das deserted village
von Goldſmith, mußte Jederman auf jener
Bildungsſtufe, in jenem Geſinnungskreiſe, hoͤch¬
lich zuſagen. Nicht als lebendig oder wirk¬
ſam, ſondern als ein vergangenes verſchwun¬
denes Daſeyn, ward alles das geſchildert was
man ſo gern mit Augen ſah, was man lieb¬
te, ſchaͤtzte, in der Gegenwart leidenſchaftlich
aufſuchte, um jugendlich munter Theil daran
zu nehmen. Feſt- und Feyertage auf dem Lan¬
de, Kirchweihen und Jahrmaͤrkte, dabey un¬
ter der Dorflinde erſt die ernſte Verſammlung
der Aelteſten, verdraͤngt von der heftigern
Tanzluſt der Juͤngern, und wohl gar die Theil¬
nahme gebildeter Staͤnde. Wie ſchicklich er¬
ſchienen dieſe Vergnuͤgungen, gemaͤßigt durch
einen braven Landgeiſtlichen, der auch dasje¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/247>, abgerufen am 23.11.2024.
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