Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

zögert sich die Sache; sein Sohn Maximi¬
lian, von außen gedrängt, giebt nach. Er
bestellt den Oberrichter, die Stände senden die
Beysitzer. Es sollten ihrer vierundzwanzig
seyn, anfangs begnügt man sich mit zwölfen.

Ein allgemeiner Fehler, dessen sich die
Menschen bey ihren Unternehmungen schuldig
machen, war auch der erste und ewige Grund¬
mangel des Cammergerichts: zu einem großen
Zwecke wurden unzulängliche Mittel angewen¬
det. Die Zahl der Assessoren war zu klein;
wie sollte von ihnen die schwere und weitläuf¬
tige Aufgabe gelöst werden! Allein wer sollte
auf eine hinlängliche Einrichtung dringen?
Der Kaiser konnte eine Anstalt nicht begün¬
stigen, die mehr wider als für ihn zu wir¬
ken schien; weit größere Ursache hatte er sein
eignes Gericht, seinen eignen Hofrath auszu¬
bilden. Betrachtet man dagegen das Interes¬
se der Stände, so konnte es ihnen eigentlich
nur um Stillung des Bluts zu thun seyn

zoͤgert ſich die Sache; ſein Sohn Maximi¬
lian, von außen gedraͤngt, giebt nach. Er
beſtellt den Oberrichter, die Staͤnde ſenden die
Beyſitzer. Es ſollten ihrer vierundzwanzig
ſeyn, anfangs begnuͤgt man ſich mit zwoͤlfen.

Ein allgemeiner Fehler, deſſen ſich die
Menſchen bey ihren Unternehmungen ſchuldig
machen, war auch der erſte und ewige Grund¬
mangel des Cammergerichts: zu einem großen
Zwecke wurden unzulaͤngliche Mittel angewen¬
det. Die Zahl der Aſſeſſoren war zu klein;
wie ſollte von ihnen die ſchwere und weitlaͤuf¬
tige Aufgabe geloͤſt werden! Allein wer ſollte
auf eine hinlaͤngliche Einrichtung dringen?
Der Kaiſer konnte eine Anſtalt nicht beguͤn¬
ſtigen, die mehr wider als fuͤr ihn zu wir¬
ken ſchien; weit groͤßere Urſache hatte er ſein
eignes Gericht, ſeinen eignen Hofrath auszu¬
bilden. Betrachtet man dagegen das Intereſ¬
ſe der Staͤnde, ſo konnte es ihnen eigentlich
nur um Stillung des Bluts zu thun ſeyn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0199" n="191"/>
zo&#x0364;gert &#x017F;ich die Sache; &#x017F;ein Sohn Maximi¬<lb/>
lian, von außen gedra&#x0364;ngt, giebt nach. Er<lb/>
be&#x017F;tellt den Oberrichter, die Sta&#x0364;nde &#x017F;enden die<lb/>
Bey&#x017F;itzer. Es &#x017F;ollten ihrer vierundzwanzig<lb/>
&#x017F;eyn, anfangs begnu&#x0364;gt man &#x017F;ich mit zwo&#x0364;lfen.</p><lb/>
        <p>Ein allgemeiner Fehler, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich die<lb/>
Men&#x017F;chen bey ihren Unternehmungen &#x017F;chuldig<lb/>
machen, war auch der er&#x017F;te und ewige Grund¬<lb/>
mangel des Cammergerichts: zu einem großen<lb/>
Zwecke wurden unzula&#x0364;ngliche Mittel angewen¬<lb/>
det. Die Zahl der A&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;oren war zu klein;<lb/>
wie &#x017F;ollte von ihnen die &#x017F;chwere und weitla&#x0364;uf¬<lb/>
tige Aufgabe gelo&#x0364;&#x017F;t werden! Allein wer &#x017F;ollte<lb/>
auf eine hinla&#x0364;ngliche Einrichtung dringen?<lb/>
Der Kai&#x017F;er konnte eine An&#x017F;talt nicht begu&#x0364;<lb/>
&#x017F;tigen, die mehr wider als fu&#x0364;r ihn zu wir¬<lb/>
ken &#x017F;chien; weit gro&#x0364;ßere Ur&#x017F;ache hatte er &#x017F;ein<lb/>
eignes Gericht, &#x017F;einen eignen Hofrath auszu¬<lb/>
bilden. Betrachtet man dagegen das Intere&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;e der Sta&#x0364;nde, &#x017F;o konnte es ihnen eigentlich<lb/>
nur um Stillung des Bluts zu thun &#x017F;eyn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0199] zoͤgert ſich die Sache; ſein Sohn Maximi¬ lian, von außen gedraͤngt, giebt nach. Er beſtellt den Oberrichter, die Staͤnde ſenden die Beyſitzer. Es ſollten ihrer vierundzwanzig ſeyn, anfangs begnuͤgt man ſich mit zwoͤlfen. Ein allgemeiner Fehler, deſſen ſich die Menſchen bey ihren Unternehmungen ſchuldig machen, war auch der erſte und ewige Grund¬ mangel des Cammergerichts: zu einem großen Zwecke wurden unzulaͤngliche Mittel angewen¬ det. Die Zahl der Aſſeſſoren war zu klein; wie ſollte von ihnen die ſchwere und weitlaͤuf¬ tige Aufgabe geloͤſt werden! Allein wer ſollte auf eine hinlaͤngliche Einrichtung dringen? Der Kaiſer konnte eine Anſtalt nicht beguͤn¬ ſtigen, die mehr wider als fuͤr ihn zu wir¬ ken ſchien; weit groͤßere Urſache hatte er ſein eignes Gericht, ſeinen eignen Hofrath auszu¬ bilden. Betrachtet man dagegen das Intereſ¬ ſe der Staͤnde, ſo konnte es ihnen eigentlich nur um Stillung des Bluts zu thun ſeyn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/199
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/199>, abgerufen am 23.11.2024.