das aus einer schönen Seele hervordringende Leben nur um desto freyer wirkt, je weniger es durch Critik in das Kunstfach herüberge¬ zogen erscheint.
Klopstock hatte sich und andern talentvol¬ len Männern, durch seinen Character und sein Betragen, Ansehn und Würde zu verschaffen gewußt; nun sollten sie ihm aber auch wo möglich die Sicherung und Verbesserung ihres häuslichen Bestandes verdanken. Der Buch¬ handel nämlich bezog sich in früherer Zeit mehr auf bedeutende, wissenschaftliche Facul¬ lätswerke, auf stehende Verlagsartikel, welche mäßig honorirt wurden. Die Production von poetischen Schriften aber wurde als etwas Heiliges angesehn, und man hielt es beynah für Simonie, ein Honorar zu nehmen oder zu steigern. Autoren und Verleger standen in dem wunderlichsten Wechselverhältniß. Bey¬ de erschienen, wie man es nehmen wollte, als Patrone und als Clienten. Jene, die neben
das aus einer ſchoͤnen Seele hervordringende Leben nur um deſto freyer wirkt, je weniger es durch Critik in das Kunſtfach heruͤberge¬ zogen erſcheint.
Klopſtock hatte ſich und andern talentvol¬ len Maͤnnern, durch ſeinen Character und ſein Betragen, Anſehn und Wuͤrde zu verſchaffen gewußt; nun ſollten ſie ihm aber auch wo moͤglich die Sicherung und Verbeſſerung ihres haͤuslichen Beſtandes verdanken. Der Buch¬ handel naͤmlich bezog ſich in fruͤherer Zeit mehr auf bedeutende, wiſſenſchaftliche Facul¬ laͤtswerke, auf ſtehende Verlagsartikel, welche maͤßig honorirt wurden. Die Production von poetiſchen Schriften aber wurde als etwas Heiliges angeſehn, und man hielt es beynah fuͤr Simonie, ein Honorar zu nehmen oder zu ſteigern. Autoren und Verleger ſtanden in dem wunderlichſten Wechſelverhaͤltniß. Bey¬ de erſchienen, wie man es nehmen wollte, als Patrone und als Clienten. Jene, die neben
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das aus einer ſchoͤnen Seele hervordringende
Leben nur um deſto freyer wirkt, je weniger
es durch Critik in das Kunſtfach heruͤberge¬
zogen erſcheint.
Klopſtock hatte ſich und andern talentvol¬
len Maͤnnern, durch ſeinen Character und ſein
Betragen, Anſehn und Wuͤrde zu verſchaffen
gewußt; nun ſollten ſie ihm aber auch wo
moͤglich die Sicherung und Verbeſſerung ihres
haͤuslichen Beſtandes verdanken. Der Buch¬
handel naͤmlich bezog ſich in fruͤherer Zeit
mehr auf bedeutende, wiſſenſchaftliche Facul¬
laͤtswerke, auf ſtehende Verlagsartikel, welche
maͤßig honorirt wurden. Die Production von
poetiſchen Schriften aber wurde als etwas
Heiliges angeſehn, und man hielt es beynah
fuͤr Simonie, ein Honorar zu nehmen oder
zu ſteigern. Autoren und Verleger ſtanden
in dem wunderlichſten Wechſelverhaͤltniß. Bey¬
de erſchienen, wie man es nehmen wollte, als
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/179>, abgerufen am 26.11.2024.
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