Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm in Verhältniß, als man erfahren hatte,
daß er von knappen häuslichen Umständen ge¬
peinigt, sich dennoch diese schöne und hohe
Sinnesweise zu erhalten verstand. Bey dem
großen Einflusse des Präsidenten von Moser
wäre es leicht gewesen, einem so genügsamen
Manne ein leidliches und bequemes Daseyn
zu verschaffen. Die Sache war auch einge¬
leitet, ja man hatte sich so weit schon verstän¬
digt und genähert, daß Haman die weite
Reise von Königsberg nach Darmstadt unter¬
nahm. Als aber der Präsident zufällig ab¬
wesend war, kehrte jener wunderliche Mann,
aus welchem Anlaß weiß man nicht, sogleich
wieder zurück; man blieb jedoch in einem
freundlichen Briefverhältniß. Ich besitze noch
zwey Schreiben des Königsbergers an seinen
Gönner, die von der wundersamen Großheit
und Innigkeit ihres Verfassers Zeugniß ab¬
legen.

III. 11

ihm in Verhaͤltniß, als man erfahren hatte,
daß er von knappen haͤuslichen Umſtaͤnden ge¬
peinigt, ſich dennoch dieſe ſchoͤne und hohe
Sinnesweiſe zu erhalten verſtand. Bey dem
großen Einfluſſe des Praͤſidenten von Moſer
waͤre es leicht geweſen, einem ſo genuͤgſamen
Manne ein leidliches und bequemes Daſeyn
zu verſchaffen. Die Sache war auch einge¬
leitet, ja man hatte ſich ſo weit ſchon verſtaͤn¬
digt und genaͤhert, daß Haman die weite
Reiſe von Koͤnigsberg nach Darmſtadt unter¬
nahm. Als aber der Praͤſident zufaͤllig ab¬
weſend war, kehrte jener wunderliche Mann,
aus welchem Anlaß weiß man nicht, ſogleich
wieder zuruͤck; man blieb jedoch in einem
freundlichen Briefverhaͤltniß. Ich beſitze noch
zwey Schreiben des Koͤnigsbergers an ſeinen
Goͤnner, die von der wunderſamen Großheit
und Innigkeit ihres Verfaſſers Zeugniß ab¬
legen.

III. 11
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0169" n="161"/>
ihm in Verha&#x0364;ltniß, als man erfahren hatte,<lb/>
daß er von knappen ha&#x0364;uslichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden ge¬<lb/>
peinigt, &#x017F;ich dennoch die&#x017F;e &#x017F;cho&#x0364;ne und hohe<lb/>
Sinneswei&#x017F;e zu erhalten ver&#x017F;tand. Bey dem<lb/>
großen Einflu&#x017F;&#x017F;e des Pra&#x0364;&#x017F;identen von Mo&#x017F;er<lb/>
wa&#x0364;re es leicht gewe&#x017F;en, einem &#x017F;o genu&#x0364;g&#x017F;amen<lb/>
Manne ein leidliches und bequemes Da&#x017F;eyn<lb/>
zu ver&#x017F;chaffen. Die Sache war auch einge¬<lb/>
leitet, ja man hatte &#x017F;ich &#x017F;o weit &#x017F;chon ver&#x017F;ta&#x0364;<lb/>
digt und gena&#x0364;hert, daß Haman die weite<lb/>
Rei&#x017F;e von Ko&#x0364;nigsberg nach Darm&#x017F;tadt unter¬<lb/>
nahm. Als aber der Pra&#x0364;&#x017F;ident zufa&#x0364;llig ab¬<lb/>
we&#x017F;end war, kehrte jener wunderliche Mann,<lb/>
aus welchem Anlaß weiß man nicht, &#x017F;ogleich<lb/>
wieder zuru&#x0364;ck; man blieb jedoch in einem<lb/>
freundlichen Briefverha&#x0364;ltniß. Ich be&#x017F;itze noch<lb/>
zwey Schreiben des Ko&#x0364;nigsbergers an &#x017F;einen<lb/>
Go&#x0364;nner, die von der wunder&#x017F;amen Großheit<lb/>
und Innigkeit ihres Verfa&#x017F;&#x017F;ers Zeugniß ab¬<lb/>
legen.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">III. 11<lb/></fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0169] ihm in Verhaͤltniß, als man erfahren hatte, daß er von knappen haͤuslichen Umſtaͤnden ge¬ peinigt, ſich dennoch dieſe ſchoͤne und hohe Sinnesweiſe zu erhalten verſtand. Bey dem großen Einfluſſe des Praͤſidenten von Moſer waͤre es leicht geweſen, einem ſo genuͤgſamen Manne ein leidliches und bequemes Daſeyn zu verſchaffen. Die Sache war auch einge¬ leitet, ja man hatte ſich ſo weit ſchon verſtaͤn¬ digt und genaͤhert, daß Haman die weite Reiſe von Koͤnigsberg nach Darmſtadt unter¬ nahm. Als aber der Praͤſident zufaͤllig ab¬ weſend war, kehrte jener wunderliche Mann, aus welchem Anlaß weiß man nicht, ſogleich wieder zuruͤck; man blieb jedoch in einem freundlichen Briefverhaͤltniß. Ich beſitze noch zwey Schreiben des Koͤnigsbergers an ſeinen Goͤnner, die von der wunderſamen Großheit und Innigkeit ihres Verfaſſers Zeugniß ab¬ legen. III. 11

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/169
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/169>, abgerufen am 02.05.2024.