Bejahrt also und vornehm war an sich selbst und durch Voltairen die französische Literatur. Lasset uns diesem merkwürdigen Manne noch einige Betrachtung widmen!
Auf thätiges und geselliges Leben, auf Politik, auf Erwerb im Großen, auf das Verhältniß zu den Herren der Erde und Be¬ nutzung dieses Verhältnisses, damit er selbst zu den Herren der Erde gehöre, dahin war von Jugend auf Voltaire's Wunsch und Be¬ mühung gewendet. Nicht leicht hat sich Je¬ mand so abhängig gemacht, um unabhängig zu seyn. Auch gelang es ihm, die Geister zu unterjochen; die Nation fiel ihm zu. Ver¬ gebens entwickelten seine Gegner mäßige Ta¬ lente und einen ungeheueren Haß; nichts ge¬ reichte zu seinem Schaden. Den Hof zwar konnte er nie mit sich versöhnen, aber dafür waren ihm fremde Könige zinsbar. Katha¬ rina und Friedrich die Großen, Gustav von Schweden, Christian von Dänemark, Po¬
Bejahrt alſo und vornehm war an ſich ſelbſt und durch Voltairen die franzoͤſiſche Literatur. Laſſet uns dieſem merkwuͤrdigen Manne noch einige Betrachtung widmen!
Auf thaͤtiges und geſelliges Leben, auf Politik, auf Erwerb im Großen, auf das Verhaͤltniß zu den Herren der Erde und Be¬ nutzung dieſes Verhaͤltniſſes, damit er ſelbſt zu den Herren der Erde gehoͤre, dahin war von Jugend auf Voltaire's Wunſch und Be¬ muͤhung gewendet. Nicht leicht hat ſich Je¬ mand ſo abhaͤngig gemacht, um unabhaͤngig zu ſeyn. Auch gelang es ihm, die Geiſter zu unterjochen; die Nation fiel ihm zu. Ver¬ gebens entwickelten ſeine Gegner maͤßige Ta¬ lente und einen ungeheueren Haß; nichts ge¬ reichte zu ſeinem Schaden. Den Hof zwar konnte er nie mit ſich verſoͤhnen, aber dafuͤr waren ihm fremde Koͤnige zinsbar. Katha¬ rina und Friedrich die Großen, Guſtav von Schweden, Chriſtian von Daͤnemark, Po¬
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Bejahrt alſo und vornehm war an ſich
ſelbſt und durch Voltairen die franzoͤſiſche
Literatur. Laſſet uns dieſem merkwuͤrdigen
Manne noch einige Betrachtung widmen!
Auf thaͤtiges und geſelliges Leben, auf
Politik, auf Erwerb im Großen, auf das
Verhaͤltniß zu den Herren der Erde und Be¬
nutzung dieſes Verhaͤltniſſes, damit er ſelbſt
zu den Herren der Erde gehoͤre, dahin war
von Jugend auf Voltaire's Wunſch und Be¬
muͤhung gewendet. Nicht leicht hat ſich Je¬
mand ſo abhaͤngig gemacht, um unabhaͤngig
zu ſeyn. Auch gelang es ihm, die Geiſter
zu unterjochen; die Nation fiel ihm zu. Ver¬
gebens entwickelten ſeine Gegner maͤßige Ta¬
lente und einen ungeheueren Haß; nichts ge¬
reichte zu ſeinem Schaden. Den Hof zwar
konnte er nie mit ſich verſoͤhnen, aber dafuͤr
waren ihm fremde Koͤnige zinsbar. Katha¬
rina und Friedrich die Großen, Guſtav von
Schweden, Chriſtian von Daͤnemark, Po¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/101>, abgerufen am 23.11.2024.
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