Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Tressenkleid darunter. Ich, diese Art von
Aufzug schon gewohnt, hielt mich für geputzt
genug; allein es währte nicht lange, so über¬
zeugten mich meine Freundinnen, erst durch
leichte Neckereyen, dann durch vernünftige
Vorstellungen, daß ich wie aus einer fremden
Welt herein geschneyt aussehe. So viel Ver¬
druß ich auch hierüber empfand, sah ich doch
Anfangs nicht, wie ich mir helfen sollte. Als
aber Herr von Masuren, der so beliebte
poetische Dorfjunker, einst auf dem
Theater in einer ähnlichen Kleidung auftrat,
und mehr wegen seiner äußeren als inneren
Abgeschmacktheit herzlich belacht wurde, faßte
ich Muth und wagte, meine sämmtliche Gar¬
derobe gegen eine neumodische, dem Ort ge¬
mäße, auf einmal umzutauschen, wodurch sie
aber freylich sehr zusammenschrumpfte.

Nach dieser überstandenen Prüfung sollte
abermals eine neue eintreten, welche mir weit
unangenehmer auffiel, weil sie eine Sache

Treſſenkleid darunter. Ich, dieſe Art von
Aufzug ſchon gewohnt, hielt mich fuͤr geputzt
genug; allein es waͤhrte nicht lange, ſo uͤber¬
zeugten mich meine Freundinnen, erſt durch
leichte Neckereyen, dann durch vernuͤnftige
Vorſtellungen, daß ich wie aus einer fremden
Welt herein geſchneyt ausſehe. So viel Ver¬
druß ich auch hieruͤber empfand, ſah ich doch
Anfangs nicht, wie ich mir helfen ſollte. Als
aber Herr von Maſuren, der ſo beliebte
poetiſche Dorfjunker, einſt auf dem
Theater in einer aͤhnlichen Kleidung auftrat,
und mehr wegen ſeiner aͤußeren als inneren
Abgeſchmacktheit herzlich belacht wurde, faßte
ich Muth und wagte, meine ſaͤmmtliche Gar¬
derobe gegen eine neumodiſche, dem Ort ge¬
maͤße, auf einmal umzutauſchen, wodurch ſie
aber freylich ſehr zuſammenſchrumpfte.

Nach dieſer uͤberſtandenen Pruͤfung ſollte
abermals eine neue eintreten, welche mir weit
unangenehmer auffiel, weil ſie eine Sache

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0092" n="84"/>
Tre&#x017F;&#x017F;enkleid darunter. Ich, die&#x017F;e Art von<lb/>
Aufzug &#x017F;chon gewohnt, hielt mich fu&#x0364;r geputzt<lb/>
genug; allein es wa&#x0364;hrte nicht lange, &#x017F;o u&#x0364;ber¬<lb/>
zeugten mich meine Freundinnen, er&#x017F;t durch<lb/>
leichte Neckereyen, dann durch vernu&#x0364;nftige<lb/>
Vor&#x017F;tellungen, daß ich wie aus einer fremden<lb/>
Welt herein ge&#x017F;chneyt aus&#x017F;ehe. So viel Ver¬<lb/>
druß ich auch hieru&#x0364;ber empfand, &#x017F;ah ich doch<lb/>
Anfangs nicht, wie ich mir helfen &#x017F;ollte. Als<lb/>
aber Herr von <hi rendition="#g">Ma&#x017F;uren</hi>, der &#x017F;o beliebte<lb/><hi rendition="#g">poeti&#x017F;che Dorfjunker</hi>, ein&#x017F;t auf dem<lb/>
Theater in einer a&#x0364;hnlichen Kleidung auftrat,<lb/>
und mehr wegen &#x017F;einer a&#x0364;ußeren als inneren<lb/>
Abge&#x017F;chmacktheit herzlich belacht wurde, faßte<lb/>
ich Muth und wagte, meine &#x017F;a&#x0364;mmtliche Gar¬<lb/>
derobe gegen eine neumodi&#x017F;che, dem Ort ge¬<lb/>
ma&#x0364;ße, auf einmal umzutau&#x017F;chen, wodurch &#x017F;ie<lb/>
aber freylich &#x017F;ehr zu&#x017F;ammen&#x017F;chrumpfte.</p><lb/>
        <p>Nach die&#x017F;er u&#x0364;ber&#x017F;tandenen Pru&#x0364;fung &#x017F;ollte<lb/>
abermals eine neue eintreten, welche mir weit<lb/>
unangenehmer auffiel, weil &#x017F;ie eine Sache<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0092] Treſſenkleid darunter. Ich, dieſe Art von Aufzug ſchon gewohnt, hielt mich fuͤr geputzt genug; allein es waͤhrte nicht lange, ſo uͤber¬ zeugten mich meine Freundinnen, erſt durch leichte Neckereyen, dann durch vernuͤnftige Vorſtellungen, daß ich wie aus einer fremden Welt herein geſchneyt ausſehe. So viel Ver¬ druß ich auch hieruͤber empfand, ſah ich doch Anfangs nicht, wie ich mir helfen ſollte. Als aber Herr von Maſuren, der ſo beliebte poetiſche Dorfjunker, einſt auf dem Theater in einer aͤhnlichen Kleidung auftrat, und mehr wegen ſeiner aͤußeren als inneren Abgeſchmacktheit herzlich belacht wurde, faßte ich Muth und wagte, meine ſaͤmmtliche Gar¬ derobe gegen eine neumodiſche, dem Ort ge¬ maͤße, auf einmal umzutauſchen, wodurch ſie aber freylich ſehr zuſammenſchrumpfte. Nach dieſer uͤberſtandenen Pruͤfung ſollte abermals eine neue eintreten, welche mir weit unangenehmer auffiel, weil ſie eine Sache

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/92
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/92>, abgerufen am 24.11.2024.