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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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und neuen Neumarkt. Ein Paar artige Zim¬
mer, die in den Hof sahen, der wegen des
Durchgangs nicht unbelebt war, bewohnte der
Buchhändler Fleischer während der Messe,
und ich für die übrige Zeit um einen leidlichen
Preis. Als Stubennachbarn fand ich einen
Theologen, der in seinem Fache gründlich un¬
terrichtet, wohldenkend, aber arm war, und,
was ihm große Sorge für die Zukunft mach¬
te, sehr an den Augen litt. Er hatte sich
dieses Uebel durch übermäßiges Lesen bis in
die tiefste Dämmerung, ja sogar, um das
wenige Oel zu ersparen, bey Mondschein zu¬
gezogen. Unsere alte Wirthinn erzeigte sich
wohlthätig gegen ihn, gegen mich jederzeit
freundlich, und gegen beyde sorgsam.

Nun eilte ich mit meinem Empfehlungs¬
schreiben zu Hofrath Böhme, der, ein Zög¬
ling von Maskow, nunmehr sein Nachfolger,
Geschichte, und Staatsrecht lehrte. Ein klei¬
ner, untersetzter, lebhafter Mann empfing mich

und neuen Neumarkt. Ein Paar artige Zim¬
mer, die in den Hof ſahen, der wegen des
Durchgangs nicht unbelebt war, bewohnte der
Buchhaͤndler Fleiſcher waͤhrend der Meſſe,
und ich fuͤr die uͤbrige Zeit um einen leidlichen
Preis. Als Stubennachbarn fand ich einen
Theologen, der in ſeinem Fache gruͤndlich un¬
terrichtet, wohldenkend, aber arm war, und,
was ihm große Sorge fuͤr die Zukunft mach¬
te, ſehr an den Augen litt. Er hatte ſich
dieſes Uebel durch uͤbermaͤßiges Leſen bis in
die tiefſte Daͤmmerung, ja ſogar, um das
wenige Oel zu erſparen, bey Mondſchein zu¬
gezogen. Unſere alte Wirthinn erzeigte ſich
wohlthaͤtig gegen ihn, gegen mich jederzeit
freundlich, und gegen beyde ſorgſam.

Nun eilte ich mit meinem Empfehlungs¬
ſchreiben zu Hofrath Boͤhme, der, ein Zoͤg¬
ling von Maskow, nunmehr ſein Nachfolger,
Geſchichte, und Staatsrecht lehrte. Ein klei¬
ner, unterſetzter, lebhafter Mann empfing mich

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[72/0080] und neuen Neumarkt. Ein Paar artige Zim¬ mer, die in den Hof ſahen, der wegen des Durchgangs nicht unbelebt war, bewohnte der Buchhaͤndler Fleiſcher waͤhrend der Meſſe, und ich fuͤr die uͤbrige Zeit um einen leidlichen Preis. Als Stubennachbarn fand ich einen Theologen, der in ſeinem Fache gruͤndlich un¬ terrichtet, wohldenkend, aber arm war, und, was ihm große Sorge fuͤr die Zukunft mach¬ te, ſehr an den Augen litt. Er hatte ſich dieſes Uebel durch uͤbermaͤßiges Leſen bis in die tiefſte Daͤmmerung, ja ſogar, um das wenige Oel zu erſparen, bey Mondſchein zu¬ gezogen. Unſere alte Wirthinn erzeigte ſich wohlthaͤtig gegen ihn, gegen mich jederzeit freundlich, und gegen beyde ſorgſam. Nun eilte ich mit meinem Empfehlungs¬ ſchreiben zu Hofrath Boͤhme, der, ein Zoͤg¬ ling von Maskow, nunmehr ſein Nachfolger, Geſchichte, und Staatsrecht lehrte. Ein klei¬ ner, unterſetzter, lebhafter Mann empfing mich

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/80>, abgerufen am 24.11.2024.