Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

solchen besaßen wir an unserem Freund Horn,
dessen Name schon zu allerley Scherzen An¬
laß gab und der, wegen seiner kleinen Ge¬
stalt, immer nur Hörnchen genannt wurde.
Er war wirklich der Kleinste in der Gesell¬
schaft, von derben, aber gefälligen Formen;
eine Stumpfnase, ein etwas aufgeworfener
Mund, kleine funkelnde Augen bildeten ein
schwarzbraunes Gesicht, das immer zum La¬
chen aufzufordern schien. Sein kleiner ge¬
drungener Schädel war mit krausen schwar¬
zen Haaren reich besetzt, sein Bart frühzeitig
blau, den er gar zu gern hätte wachsen las¬
sen, um als comische Maske die Gesellschaft
immer im Lachen zu erhalten. Uebrigens
war er nett und behend, behauptete aber
krumme Beine zu haben, welches man ihm
zugab, weil er es gern so wollte, worüber
denn mancher Scherz entstand: denn weil er
als ein sehr guter Tänzer gesucht wurde, so
rechnete er es unter die Eigenheiten des Frau¬
enzimmers, daß sie die krummen Beine im¬

4 *

ſolchen beſaßen wir an unſerem Freund Horn,
deſſen Name ſchon zu allerley Scherzen An¬
laß gab und der, wegen ſeiner kleinen Ge¬
ſtalt, immer nur Hoͤrnchen genannt wurde.
Er war wirklich der Kleinſte in der Geſell¬
ſchaft, von derben, aber gefaͤlligen Formen;
eine Stumpfnaſe, ein etwas aufgeworfener
Mund, kleine funkelnde Augen bildeten ein
ſchwarzbraunes Geſicht, das immer zum La¬
chen aufzufordern ſchien. Sein kleiner ge¬
drungener Schaͤdel war mit krauſen ſchwar¬
zen Haaren reich beſetzt, ſein Bart fruͤhzeitig
blau, den er gar zu gern haͤtte wachſen laſ¬
ſen, um als comiſche Maske die Geſellſchaft
immer im Lachen zu erhalten. Uebrigens
war er nett und behend, behauptete aber
krumme Beine zu haben, welches man ihm
zugab, weil er es gern ſo wollte, woruͤber
denn mancher Scherz entſtand: denn weil er
als ein ſehr guter Taͤnzer geſucht wurde, ſo
rechnete er es unter die Eigenheiten des Frau¬
enzimmers, daß ſie die krummen Beine im¬

4 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0059" n="51"/>
&#x017F;olchen be&#x017F;aßen wir an un&#x017F;erem Freund <hi rendition="#g">Horn</hi>,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Name &#x017F;chon zu allerley Scherzen An¬<lb/>
laß gab und der, wegen &#x017F;einer kleinen Ge¬<lb/>
&#x017F;talt, immer nur Ho&#x0364;rnchen genannt wurde.<lb/>
Er war wirklich der Klein&#x017F;te in der Ge&#x017F;ell¬<lb/>
&#x017F;chaft, von derben, aber gefa&#x0364;lligen Formen;<lb/>
eine Stumpfna&#x017F;e, ein etwas aufgeworfener<lb/>
Mund, kleine funkelnde Augen bildeten ein<lb/>
&#x017F;chwarzbraunes Ge&#x017F;icht, das immer zum La¬<lb/>
chen aufzufordern &#x017F;chien. Sein kleiner ge¬<lb/>
drungener Scha&#x0364;del war mit krau&#x017F;en &#x017F;chwar¬<lb/>
zen Haaren reich be&#x017F;etzt, &#x017F;ein Bart fru&#x0364;hzeitig<lb/>
blau, den er gar zu gern ha&#x0364;tte wach&#x017F;en la&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en, um als comi&#x017F;che Maske die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
immer im Lachen zu erhalten. Uebrigens<lb/>
war er nett und behend, behauptete aber<lb/>
krumme Beine zu haben, welches man ihm<lb/>
zugab, weil er es gern &#x017F;o wollte, woru&#x0364;ber<lb/>
denn mancher Scherz ent&#x017F;tand: denn weil er<lb/>
als ein &#x017F;ehr guter Ta&#x0364;nzer ge&#x017F;ucht wurde, &#x017F;o<lb/>
rechnete er es unter die Eigenheiten des Frau¬<lb/>
enzimmers, daß &#x017F;ie die krummen Beine im¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">4 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0059] ſolchen beſaßen wir an unſerem Freund Horn, deſſen Name ſchon zu allerley Scherzen An¬ laß gab und der, wegen ſeiner kleinen Ge¬ ſtalt, immer nur Hoͤrnchen genannt wurde. Er war wirklich der Kleinſte in der Geſell¬ ſchaft, von derben, aber gefaͤlligen Formen; eine Stumpfnaſe, ein etwas aufgeworfener Mund, kleine funkelnde Augen bildeten ein ſchwarzbraunes Geſicht, das immer zum La¬ chen aufzufordern ſchien. Sein kleiner ge¬ drungener Schaͤdel war mit krauſen ſchwar¬ zen Haaren reich beſetzt, ſein Bart fruͤhzeitig blau, den er gar zu gern haͤtte wachſen laſ¬ ſen, um als comiſche Maske die Geſellſchaft immer im Lachen zu erhalten. Uebrigens war er nett und behend, behauptete aber krumme Beine zu haben, welches man ihm zugab, weil er es gern ſo wollte, woruͤber denn mancher Scherz entſtand: denn weil er als ein ſehr guter Taͤnzer geſucht wurde, ſo rechnete er es unter die Eigenheiten des Frau¬ enzimmers, daß ſie die krummen Beine im¬ 4 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/59
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/59>, abgerufen am 19.05.2024.