hierin die gute Gesellschaft, sie bestehe aus wenigen oder mehrern, sich am liebsten er¬ geht. Nichts aber gleicht der behaglichen Selbstgefälligkeit, wenn wir uns zu Richtern der Obern und Vorgesetzten, der Fürsten und Staatsmänner erheben, öffentliche Anstalten ungeschickt und zweckwidrig finden, nur die möglichen und wirklichen Hindernisse beachten, und weder die Größe der Intention noch die Mitwirkung anerkennen, die bey jedem Un¬ ternehmen von Zeit und Umständen zu er¬ warten ist.
Wer sich der Lage des französischen Reichs erinnert und sie aus späteren Schriften genau und umständlich kennt, wird sich leicht verge¬ genwärtigen, wie man damals in dem elsas¬ sischen Halbfrankreich über König und Mini¬ ster, über Hof und Günstlinge sprach. Für meine Lust mich zu unterrichten, waren es neue, und für Naseweisheit und jugendlichen Dünkel sehr willkommne Gegenstände; ich
hierin die gute Geſellſchaft, ſie beſtehe aus wenigen oder mehrern, ſich am liebſten er¬ geht. Nichts aber gleicht der behaglichen Selbſtgefaͤlligkeit, wenn wir uns zu Richtern der Obern und Vorgeſetzten, der Fuͤrſten und Staatsmaͤnner erheben, oͤffentliche Anſtalten ungeſchickt und zweckwidrig finden, nur die moͤglichen und wirklichen Hinderniſſe beachten, und weder die Groͤße der Intention noch die Mitwirkung anerkennen, die bey jedem Un¬ ternehmen von Zeit und Umſtaͤnden zu er¬ warten iſt.
Wer ſich der Lage des franzoͤſiſchen Reichs erinnert und ſie aus ſpaͤteren Schriften genau und umſtaͤndlich kennt, wird ſich leicht verge¬ genwaͤrtigen, wie man damals in dem elſaſ¬ ſiſchen Halbfrankreich uͤber Koͤnig und Mini¬ ſter, uͤber Hof und Guͤnſtlinge ſprach. Fuͤr meine Luſt mich zu unterrichten, waren es neue, und fuͤr Naſeweisheit und jugendlichen Duͤnkel ſehr willkommne Gegenſtaͤnde; ich
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hierin die gute Geſellſchaft, ſie beſtehe aus
wenigen oder mehrern, ſich am liebſten er¬
geht. Nichts aber gleicht der behaglichen
Selbſtgefaͤlligkeit, wenn wir uns zu Richtern
der Obern und Vorgeſetzten, der Fuͤrſten und
Staatsmaͤnner erheben, oͤffentliche Anſtalten
ungeſchickt und zweckwidrig finden, nur die
moͤglichen und wirklichen Hinderniſſe beachten,
und weder die Groͤße der Intention noch die
Mitwirkung anerkennen, die bey jedem Un¬
ternehmen von Zeit und Umſtaͤnden zu er¬
warten iſt.
Wer ſich der Lage des franzoͤſiſchen Reichs
erinnert und ſie aus ſpaͤteren Schriften genau
und umſtaͤndlich kennt, wird ſich leicht verge¬
genwaͤrtigen, wie man damals in dem elſaſ¬
ſiſchen Halbfrankreich uͤber Koͤnig und Mini¬
ſter, uͤber Hof und Guͤnſtlinge ſprach. Fuͤr
meine Luſt mich zu unterrichten, waren es
neue, und fuͤr Naſeweisheit und jugendlichen
Duͤnkel ſehr willkommne Gegenſtaͤnde; ich
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/400>, abgerufen am 27.11.2024.
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