den ich mich erst sehr ernstlich wehrte, jemals bemerken solle, wenn ich mich sogleich dazu entschließen könnte. Er hielt Wort und ich galt immer für den bestfrisirten und bestbe¬ haarten jungen Mann. Da ich aber vom frühen Morgen an so aufgestutzt und gepu¬ dert bleiben und mich zugleich in Acht neh¬ men mußte, nicht durch Erhitzung und hefti¬ ge Bewegung den falschen Schmuck zu verra¬ then; so trug dieser Zwang wirklich viel bey, daß ich mich eine Zeit lang ruhiger und gesit¬ teter benahm, mir angewöhnte, mit dem Hut unterm Arm und folglich auch in Schuh und Strümpfen zu gehen; doch durfte ich nicht ver¬ säumen, feinlederne Unter-Strümpfe zu tragen, um mich gegen die Rheinschnaken zu sichern, welche sich an schönen Sommeraben¬ den über die Auen und Gärten zu verbreiten pflegen. War mir nun unter diesen Umstän¬ den eine heftige körperliche Bewegung versagt, so entfalteten sich unsere geselligen Gespräche immer lebhafter und leidenschaftlicher, ja sie
den ich mich erſt ſehr ernſtlich wehrte, jemals bemerken ſolle, wenn ich mich ſogleich dazu entſchließen koͤnnte. Er hielt Wort und ich galt immer fuͤr den beſtfriſirten und beſtbe¬ haarten jungen Mann. Da ich aber vom fruͤhen Morgen an ſo aufgeſtutzt und gepu¬ dert bleiben und mich zugleich in Acht neh¬ men mußte, nicht durch Erhitzung und hefti¬ ge Bewegung den falſchen Schmuck zu verra¬ then; ſo trug dieſer Zwang wirklich viel bey, daß ich mich eine Zeit lang ruhiger und geſit¬ teter benahm, mir angewoͤhnte, mit dem Hut unterm Arm und folglich auch in Schuh und Struͤmpfen zu gehen; doch durfte ich nicht ver¬ ſaͤumen, feinlederne Unter-Struͤmpfe zu tragen, um mich gegen die Rheinſchnaken zu ſichern, welche ſich an ſchoͤnen Sommeraben¬ den uͤber die Auen und Gaͤrten zu verbreiten pflegen. War mir nun unter dieſen Umſtaͤn¬ den eine heftige koͤrperliche Bewegung verſagt, ſo entfalteten ſich unſere geſelligen Geſpraͤche immer lebhafter und leidenſchaftlicher, ja ſie
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den ich mich erſt ſehr ernſtlich wehrte, jemals
bemerken ſolle, wenn ich mich ſogleich dazu
entſchließen koͤnnte. Er hielt Wort und ich
galt immer fuͤr den beſtfriſirten und beſtbe¬
haarten jungen Mann. Da ich aber vom
fruͤhen Morgen an ſo aufgeſtutzt und gepu¬
dert bleiben und mich zugleich in Acht neh¬
men mußte, nicht durch Erhitzung und hefti¬
ge Bewegung den falſchen Schmuck zu verra¬
then; ſo trug dieſer Zwang wirklich viel bey,
daß ich mich eine Zeit lang ruhiger und geſit¬
teter benahm, mir angewoͤhnte, mit dem Hut
unterm Arm und folglich auch in Schuh und
Struͤmpfen zu gehen; doch durfte ich nicht ver¬
ſaͤumen, feinlederne Unter-Struͤmpfe zu
tragen, um mich gegen die Rheinſchnaken zu
ſichern, welche ſich an ſchoͤnen Sommeraben¬
den uͤber die Auen und Gaͤrten zu verbreiten
pflegen. War mir nun unter dieſen Umſtaͤn¬
den eine heftige koͤrperliche Bewegung verſagt,
ſo entfalteten ſich unſere geſelligen Geſpraͤche
immer lebhafter und leidenſchaftlicher, ja ſie
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/385>, abgerufen am 27.11.2024.
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