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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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vollkommene Freyheit. Durch zufällige An¬
regung, so wie in zufälliger Gesellschaft stellte
ich manche Wanderungen nach dem Gebirge
an, das von Kindheit auf so fern und ernst¬
haft vor mir gestanden hatte. So besuchten
wir Homburg, Kroneburg, bestiegen den Feld¬
berg, von dem uns die weite Aussicht immer
mehr in die Ferne lockte. Da blieb denn Kö¬
nigstein nicht unbesucht; Wisbaden, Schwal¬
bach mit seinen Umgebungen beschäftigten uns
mehrere Tage; wir gelangten an den Rhein,
den wir, von den Höhen herab, weit her
schlängeln gesehen. Maynz setzte uns in Ver¬
wunderung, doch konnte es den jugendlichen
Sinn nicht fesseln, der ins Freye ging; wir
erheiterten uns an der Lage von Biberich, und
nahmen zufrieden und froh unseren Rückweg.

Diese ganze Tour, von der sich mein Va¬
ter manches Blatt versprach, wäre beynahe
ohne Frucht gewesen: denn welcher Sinn,
welches Talent, welche Uebung gehört nicht

vollkommene Freyheit. Durch zufaͤllige An¬
regung, ſo wie in zufaͤlliger Geſellſchaft ſtellte
ich manche Wanderungen nach dem Gebirge
an, das von Kindheit auf ſo fern und ernſt¬
haft vor mir geſtanden hatte. So beſuchten
wir Homburg, Kroneburg, beſtiegen den Feld¬
berg, von dem uns die weite Ausſicht immer
mehr in die Ferne lockte. Da blieb denn Koͤ¬
nigſtein nicht unbeſucht; Wisbaden, Schwal¬
bach mit ſeinen Umgebungen beſchaͤftigten uns
mehrere Tage; wir gelangten an den Rhein,
den wir, von den Hoͤhen herab, weit her
ſchlaͤngeln geſehen. Maynz ſetzte uns in Ver¬
wunderung, doch konnte es den jugendlichen
Sinn nicht feſſeln, der ins Freye ging; wir
erheiterten uns an der Lage von Biberich, und
nahmen zufrieden und froh unſeren Ruͤckweg.

Dieſe ganze Tour, von der ſich mein Va¬
ter manches Blatt verſprach, waͤre beynahe
ohne Frucht geweſen: denn welcher Sinn,
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[25/0033] vollkommene Freyheit. Durch zufaͤllige An¬ regung, ſo wie in zufaͤlliger Geſellſchaft ſtellte ich manche Wanderungen nach dem Gebirge an, das von Kindheit auf ſo fern und ernſt¬ haft vor mir geſtanden hatte. So beſuchten wir Homburg, Kroneburg, beſtiegen den Feld¬ berg, von dem uns die weite Ausſicht immer mehr in die Ferne lockte. Da blieb denn Koͤ¬ nigſtein nicht unbeſucht; Wisbaden, Schwal¬ bach mit ſeinen Umgebungen beſchaͤftigten uns mehrere Tage; wir gelangten an den Rhein, den wir, von den Hoͤhen herab, weit her ſchlaͤngeln geſehen. Maynz ſetzte uns in Ver¬ wunderung, doch konnte es den jugendlichen Sinn nicht feſſeln, der ins Freye ging; wir erheiterten uns an der Lage von Biberich, und nahmen zufrieden und froh unſeren Ruͤckweg. Dieſe ganze Tour, von der ſich mein Va¬ ter manches Blatt verſprach, waͤre beynahe ohne Frucht geweſen: denn welcher Sinn, welches Talent, welche Uebung gehoͤrt nicht

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/33>, abgerufen am 03.12.2024.