Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

geführt; so wollte ich mir im Allgemeinen da¬
von einen Begriff machen, ob ich gleich als
Halbadept vor den Apothekern und allen den¬
jenigen, die mit dem gemeinen Feuer operirten,
sehr wenig Respect hatte. Indessen zog mich
doch das chemische Compendium des Boer¬
have
gewaltig an, und verleitete mich meh¬
rere Schriften dieses Mannes zu lesen, wo¬
durch ich denn, da ohnehin meine langwierige
Krankheit mich dem Aerztlichen näher gebracht
hatte, eine Anleitung fand, auch die Aphoris¬
men dieses trefflichen Mannes zu studiren, die
ich mir gern in den Sinn und ins Gedächt¬
niß einprägen mochte.

Eine andere, etwas menschlichere und bey
weitem für die augenblickliche Bildung nützli¬
chere Beschäftigung war, daß ich die Briefe
durchsah, welche ich von Leipzig aus nach
Hause geschrieben hatte. Nichts giebt uns
mehr Aufschluß über uns selbst, als wenn wir
das, was vor einigen Jahren von uns aus¬

gefuͤhrt; ſo wollte ich mir im Allgemeinen da¬
von einen Begriff machen, ob ich gleich als
Halbadept vor den Apothekern und allen den¬
jenigen, die mit dem gemeinen Feuer operirten,
ſehr wenig Reſpect hatte. Indeſſen zog mich
doch das chemiſche Compendium des Boer¬
have
gewaltig an, und verleitete mich meh¬
rere Schriften dieſes Mannes zu leſen, wo¬
durch ich denn, da ohnehin meine langwierige
Krankheit mich dem Aerztlichen naͤher gebracht
hatte, eine Anleitung fand, auch die Aphoris¬
men dieſes trefflichen Mannes zu ſtudiren, die
ich mir gern in den Sinn und ins Gedaͤcht¬
niß einpraͤgen mochte.

Eine andere, etwas menſchlichere und bey
weitem fuͤr die augenblickliche Bildung nuͤtzli¬
chere Beſchaͤftigung war, daß ich die Briefe
durchſah, welche ich von Leipzig aus nach
Hauſe geſchrieben hatte. Nichts giebt uns
mehr Aufſchluß uͤber uns ſelbſt, als wenn wir
das, was vor einigen Jahren von uns aus¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0324" n="316"/>
gefu&#x0364;hrt; &#x017F;o wollte ich mir im Allgemeinen da¬<lb/>
von einen Begriff machen, ob ich gleich als<lb/>
Halbadept vor den Apothekern und allen den¬<lb/>
jenigen, die mit dem gemeinen Feuer operirten,<lb/>
&#x017F;ehr wenig Re&#x017F;pect hatte. Inde&#x017F;&#x017F;en zog mich<lb/>
doch das chemi&#x017F;che Compendium des <hi rendition="#g">Boer¬<lb/>
have</hi> gewaltig an, und verleitete mich meh¬<lb/>
rere Schriften die&#x017F;es Mannes zu le&#x017F;en, wo¬<lb/>
durch ich denn, da ohnehin meine langwierige<lb/>
Krankheit mich dem Aerztlichen na&#x0364;her gebracht<lb/>
hatte, eine Anleitung fand, auch die Aphoris¬<lb/>
men die&#x017F;es trefflichen Mannes zu &#x017F;tudiren, die<lb/>
ich mir gern in den Sinn und ins Geda&#x0364;cht¬<lb/>
niß einpra&#x0364;gen mochte.</p><lb/>
        <p>Eine andere, etwas men&#x017F;chlichere und bey<lb/>
weitem fu&#x0364;r die augenblickliche Bildung nu&#x0364;tzli¬<lb/>
chere Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung war, daß ich die Briefe<lb/>
durch&#x017F;ah, welche ich von Leipzig aus nach<lb/>
Hau&#x017F;e ge&#x017F;chrieben hatte. Nichts giebt uns<lb/>
mehr Auf&#x017F;chluß u&#x0364;ber uns &#x017F;elb&#x017F;t, als wenn wir<lb/>
das, was vor einigen Jahren von uns aus¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0324] gefuͤhrt; ſo wollte ich mir im Allgemeinen da¬ von einen Begriff machen, ob ich gleich als Halbadept vor den Apothekern und allen den¬ jenigen, die mit dem gemeinen Feuer operirten, ſehr wenig Reſpect hatte. Indeſſen zog mich doch das chemiſche Compendium des Boer¬ have gewaltig an, und verleitete mich meh¬ rere Schriften dieſes Mannes zu leſen, wo¬ durch ich denn, da ohnehin meine langwierige Krankheit mich dem Aerztlichen naͤher gebracht hatte, eine Anleitung fand, auch die Aphoris¬ men dieſes trefflichen Mannes zu ſtudiren, die ich mir gern in den Sinn und ins Gedaͤcht¬ niß einpraͤgen mochte. Eine andere, etwas menſchlichere und bey weitem fuͤr die augenblickliche Bildung nuͤtzli¬ chere Beſchaͤftigung war, daß ich die Briefe durchſah, welche ich von Leipzig aus nach Hauſe geſchrieben hatte. Nichts giebt uns mehr Aufſchluß uͤber uns ſelbſt, als wenn wir das, was vor einigen Jahren von uns aus¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/324
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/324>, abgerufen am 24.11.2024.