kosmus und Mikrokosmus auf eine geheim¬ nißvolle wunderliche Weise behandelt, und vor allem suchte man Mittelsalze auf eine uner¬ hörte Art hervorzubringen. Was mich aber eine ganze Weile am meisten beschäftigte, war der sogenannte Liquor Silicum (Kieselsaft), welcher entsteht, wenn man reine Quarzkiesel mit einem gehörigen Antheil Alcali schmilzt, woraus ein durchsichtiges Glas entspringt, wel¬ ches an der Luft zerschmilzt und eine schöne klare Flüssigkeit darstellt. Wer dieses ein¬ mal selbst verfertigt und mit Augen gesehen hat, der wird diejenigen nicht tadeln, welche an eine jungfräuliche Erde und an die Mög¬ lichkeit glauben, auf und durch dieselbe weiter zu wirken. Diesen Kieselsaft zu bereiten hat¬ te ich eine besondere Fertigkeit erlangt: die schönen weißen Kiesel, welche sich im Main finden, gaben dazu ein vollkommenes Mate¬ rial; und an dem übrigen so wie an Fleiß ließ ich es nicht fehlen: nur ermüdete ich doch zu¬ letzt, indem ich bemerken mußte, daß das Kie¬
kosmus und Mikrokosmus auf eine geheim¬ nißvolle wunderliche Weiſe behandelt, und vor allem ſuchte man Mittelſalze auf eine uner¬ hoͤrte Art hervorzubringen. Was mich aber eine ganze Weile am meiſten beſchaͤftigte, war der ſogenannte Liquor Silicum (Kieſelſaft), welcher entſteht, wenn man reine Quarzkieſel mit einem gehoͤrigen Antheil Alcali ſchmilzt, woraus ein durchſichtiges Glas entſpringt, wel¬ ches an der Luft zerſchmilzt und eine ſchoͤne klare Fluͤſſigkeit darſtellt. Wer dieſes ein¬ mal ſelbſt verfertigt und mit Augen geſehen hat, der wird diejenigen nicht tadeln, welche an eine jungfraͤuliche Erde und an die Moͤg¬ lichkeit glauben, auf und durch dieſelbe weiter zu wirken. Dieſen Kieſelſaft zu bereiten hat¬ te ich eine beſondere Fertigkeit erlangt: die ſchoͤnen weißen Kieſel, welche ſich im Main finden, gaben dazu ein vollkommenes Mate¬ rial; und an dem uͤbrigen ſo wie an Fleiß ließ ich es nicht fehlen: nur ermuͤdete ich doch zu¬ letzt, indem ich bemerken mußte, daß das Kie¬
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kosmus und Mikrokosmus auf eine geheim¬
nißvolle wunderliche Weiſe behandelt, und vor
allem ſuchte man Mittelſalze auf eine uner¬
hoͤrte Art hervorzubringen. Was mich aber
eine ganze Weile am meiſten beſchaͤftigte, war
der ſogenannte Liquor Silicum (Kieſelſaft),
welcher entſteht, wenn man reine Quarzkieſel
mit einem gehoͤrigen Antheil Alcali ſchmilzt,
woraus ein durchſichtiges Glas entſpringt, wel¬
ches an der Luft zerſchmilzt und eine ſchoͤne
klare Fluͤſſigkeit darſtellt. Wer dieſes ein¬
mal ſelbſt verfertigt und mit Augen geſehen
hat, der wird diejenigen nicht tadeln, welche
an eine jungfraͤuliche Erde und an die Moͤg¬
lichkeit glauben, auf und durch dieſelbe weiter
zu wirken. Dieſen Kieſelſaft zu bereiten hat¬
te ich eine beſondere Fertigkeit erlangt: die
ſchoͤnen weißen Kieſel, welche ſich im Main
finden, gaben dazu ein vollkommenes Mate¬
rial; und an dem uͤbrigen ſo wie an Fleiß ließ
ich es nicht fehlen: nur ermuͤdete ich doch zu¬
letzt, indem ich bemerken mußte, daß das Kie¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/322>, abgerufen am 24.11.2024.
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