Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

finde sich bey dem Wenigen Glaube, Liebe
und Hoffnung, was ihm übrig geblieben,
noch ganz leidlich. Er mußte mir darauf
Vieles vom Krieg erzählen, von der Lebens¬
weise im Feld, von Scharmützeln und Schlach¬
ten, besonders in sofern er Antheil daran
genommen; da denn diese ungeheueren Ereig¬
nisse, indem sie auf ein einzelnes Individuum
bezogen wurden, ein gar wunderliches Anse¬
hen gewannen. Ich bewog ihn alsdann zu
einer offenen Erzählung der kurz vorher be¬
standenen Hofverhältnisse, welche ganz mähr¬
chenhaft zu seyn schienen. Ich hörte von der
körperlichen Stärke August's des Zweyten, den
vielen Kindern desselben und seinem ungeheu¬
eren Aufwand, sodann von des Nachfolgers
Kunst- und Sammlungslust, vom Grafen
Brühl und dessen grenzenloser Prunkliebe,
deren Einzelnes beynahe abgeschmackt erschien,
von so viel Festen und Prachtergetzungen,
welche sämmtlich durch den Einfall Friedrichs
in Sachsen abgeschnitten worden. Nun la¬

finde ſich bey dem Wenigen Glaube, Liebe
und Hoffnung, was ihm uͤbrig geblieben,
noch ganz leidlich. Er mußte mir darauf
Vieles vom Krieg erzaͤhlen, von der Lebens¬
weiſe im Feld, von Scharmuͤtzeln und Schlach¬
ten, beſonders in ſofern er Antheil daran
genommen; da denn dieſe ungeheueren Ereig¬
niſſe, indem ſie auf ein einzelnes Individuum
bezogen wurden, ein gar wunderliches Anſe¬
hen gewannen. Ich bewog ihn alsdann zu
einer offenen Erzaͤhlung der kurz vorher be¬
ſtandenen Hofverhaͤltniſſe, welche ganz maͤhr¬
chenhaft zu ſeyn ſchienen. Ich hoͤrte von der
koͤrperlichen Staͤrke Auguſt's des Zweyten, den
vielen Kindern deſſelben und ſeinem ungeheu¬
eren Aufwand, ſodann von des Nachfolgers
Kunſt- und Sammlungsluſt, vom Grafen
Bruͤhl und deſſen grenzenloſer Prunkliebe,
deren Einzelnes beynahe abgeſchmackt erſchien,
von ſo viel Feſten und Prachtergetzungen,
welche ſaͤmmtlich durch den Einfall Friedrichs
in Sachſen abgeſchnitten worden. Nun la¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0234" n="226"/>
finde &#x017F;ich bey dem Wenigen Glaube, Liebe<lb/>
und Hoffnung, was ihm u&#x0364;brig geblieben,<lb/>
noch ganz leidlich. Er mußte mir darauf<lb/>
Vieles vom Krieg erza&#x0364;hlen, von der Lebens¬<lb/>
wei&#x017F;e im Feld, von Scharmu&#x0364;tzeln und Schlach¬<lb/>
ten, be&#x017F;onders in &#x017F;ofern er Antheil daran<lb/>
genommen; da denn die&#x017F;e ungeheueren Ereig¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e, indem &#x017F;ie auf ein einzelnes Individuum<lb/>
bezogen wurden, ein gar wunderliches An&#x017F;<lb/>
hen gewannen. Ich bewog ihn alsdann zu<lb/>
einer offenen Erza&#x0364;hlung der kurz vorher be¬<lb/>
&#x017F;tandenen Hofverha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, welche ganz ma&#x0364;hr¬<lb/>
chenhaft zu &#x017F;eyn &#x017F;chienen. Ich ho&#x0364;rte von der<lb/>
ko&#x0364;rperlichen Sta&#x0364;rke Augu&#x017F;t's des Zweyten, den<lb/>
vielen Kindern de&#x017F;&#x017F;elben und &#x017F;einem ungeheu¬<lb/>
eren Aufwand, &#x017F;odann von des Nachfolgers<lb/>
Kun&#x017F;t- und Sammlungslu&#x017F;t, vom Grafen<lb/>
Bru&#x0364;hl und de&#x017F;&#x017F;en grenzenlo&#x017F;er Prunkliebe,<lb/>
deren Einzelnes beynahe abge&#x017F;chmackt er&#x017F;chien,<lb/>
von &#x017F;o viel Fe&#x017F;ten und Prachtergetzungen,<lb/>
welche &#x017F;a&#x0364;mmtlich durch den Einfall Friedrichs<lb/>
in Sach&#x017F;en abge&#x017F;chnitten worden. Nun la¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0234] finde ſich bey dem Wenigen Glaube, Liebe und Hoffnung, was ihm uͤbrig geblieben, noch ganz leidlich. Er mußte mir darauf Vieles vom Krieg erzaͤhlen, von der Lebens¬ weiſe im Feld, von Scharmuͤtzeln und Schlach¬ ten, beſonders in ſofern er Antheil daran genommen; da denn dieſe ungeheueren Ereig¬ niſſe, indem ſie auf ein einzelnes Individuum bezogen wurden, ein gar wunderliches Anſe¬ hen gewannen. Ich bewog ihn alsdann zu einer offenen Erzaͤhlung der kurz vorher be¬ ſtandenen Hofverhaͤltniſſe, welche ganz maͤhr¬ chenhaft zu ſeyn ſchienen. Ich hoͤrte von der koͤrperlichen Staͤrke Auguſt's des Zweyten, den vielen Kindern deſſelben und ſeinem ungeheu¬ eren Aufwand, ſodann von des Nachfolgers Kunſt- und Sammlungsluſt, vom Grafen Bruͤhl und deſſen grenzenloſer Prunkliebe, deren Einzelnes beynahe abgeſchmackt erſchien, von ſo viel Feſten und Prachtergetzungen, welche ſaͤmmtlich durch den Einfall Friedrichs in Sachſen abgeſchnitten worden. Nun la¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/234
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/234>, abgerufen am 24.11.2024.