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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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sich zu verbilden. In allen solchen Dingen
ging er ganz unbarmherzig zu Werk, ohne
daß er nur im mindesten boshaft gewesen wä¬
re. Dagegen wußten wir ihn von unserer
Seite zu quälen, wenn wir versicherten, daß
man ihn nach seinem Aeußeren wo nicht für
einen französischen Tanzmeister, doch wenig¬
stens für den academischen Sprachmeister an¬
sehen müsse. Dieser Vorwurf war denn ge¬
wöhnlich das Signal zu stundenlangen Ab¬
handlungen, worin er den himmelweiten Un¬
terschied herauszusetzen pflegte, der zwischen
ihm und einem alten Franzosen obwalte. Hier¬
bey bürdete er uns gewöhnlich allerley unge¬
schickte Vorschläge auf, die wir ihm zu Ver¬
änderung und Modificirung seiner Garderobe
hätten thun können.

Die Richtung meines Dichtens, das ich
nur um desto eifriger trieb, als die Ab¬
schrift schöner und sorgfältiger vorruckte, neigte
sich nunmehr gänzlich zum Natürlichen, zum

ſich zu verbilden. In allen ſolchen Dingen
ging er ganz unbarmherzig zu Werk, ohne
daß er nur im mindeſten boshaft geweſen waͤ¬
re. Dagegen wußten wir ihn von unſerer
Seite zu quaͤlen, wenn wir verſicherten, daß
man ihn nach ſeinem Aeußeren wo nicht fuͤr
einen franzoͤſiſchen Tanzmeiſter, doch wenig¬
ſtens fuͤr den academiſchen Sprachmeiſter an¬
ſehen muͤſſe. Dieſer Vorwurf war denn ge¬
woͤhnlich das Signal zu ſtundenlangen Ab¬
handlungen, worin er den himmelweiten Un¬
terſchied herauszuſetzen pflegte, der zwiſchen
ihm und einem alten Franzoſen obwalte. Hier¬
bey buͤrdete er uns gewoͤhnlich allerley unge¬
ſchickte Vorſchlaͤge auf, die wir ihm zu Ver¬
aͤnderung und Modificirung ſeiner Garderobe
haͤtten thun koͤnnen.

Die Richtung meines Dichtens, das ich
nur um deſto eifriger trieb, als die Ab¬
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[205/0213] ſich zu verbilden. In allen ſolchen Dingen ging er ganz unbarmherzig zu Werk, ohne daß er nur im mindeſten boshaft geweſen waͤ¬ re. Dagegen wußten wir ihn von unſerer Seite zu quaͤlen, wenn wir verſicherten, daß man ihn nach ſeinem Aeußeren wo nicht fuͤr einen franzoͤſiſchen Tanzmeiſter, doch wenig¬ ſtens fuͤr den academiſchen Sprachmeiſter an¬ ſehen muͤſſe. Dieſer Vorwurf war denn ge¬ woͤhnlich das Signal zu ſtundenlangen Ab¬ handlungen, worin er den himmelweiten Un¬ terſchied herauszuſetzen pflegte, der zwiſchen ihm und einem alten Franzoſen obwalte. Hier¬ bey buͤrdete er uns gewoͤhnlich allerley unge¬ ſchickte Vorſchlaͤge auf, die wir ihm zu Ver¬ aͤnderung und Modificirung ſeiner Garderobe haͤtten thun koͤnnen. Die Richtung meines Dichtens, das ich nur um deſto eifriger trieb, als die Ab¬ ſchrift ſchoͤner und ſorgfaͤltiger vorruckte, neigte ſich nunmehr gaͤnzlich zum Natuͤrlichen, zum

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/213>, abgerufen am 25.11.2024.