lige fremde Worte nöthiger und unnöthiger Weise mit auf, und auch für schon bekannte Gegenstände ward man veranlaßt, sich aus¬ ländischer Ausdrücke und Wendungen zu be¬ dienen. Der Deutsche, seit beynahe zwey Jahrhunderten, in einem unglücklichen, tu¬ multuarischen Zustande verwildert, begab sich bey den Franzosen in die Schule, um lebens¬ artig zu werden, und bey den Römern, um sich würdig auszudrücken. Dieß sollte aber auch in der Muttersprache geschehen; da denn die unmittelbare Anwendung jener Idiome und deren Halbverdeutschung sowohl den Welt- als Geschäftsstyl lächerlich machte. Ueberdieß faßte man die Gleichnißreden der südlichen Sprachen unmäßig auf und bediente sich der¬ selben höchst übertrieben. Eben so zog man den vornehmen Anstand der fürstengleichen römischen Bürger auf deutsche kleinstädtische Gelehrten-Verhältnisse herüber, und war eben nirgends, am wenigsten bey sich zu Hause.
lige fremde Worte noͤthiger und unnoͤthiger Weiſe mit auf, und auch fuͤr ſchon bekannte Gegenſtaͤnde ward man veranlaßt, ſich aus¬ laͤndiſcher Ausdruͤcke und Wendungen zu be¬ dienen. Der Deutſche, ſeit beynahe zwey Jahrhunderten, in einem ungluͤcklichen, tu¬ multuariſchen Zuſtande verwildert, begab ſich bey den Franzoſen in die Schule, um lebens¬ artig zu werden, und bey den Roͤmern, um ſich wuͤrdig auszudruͤcken. Dieß ſollte aber auch in der Mutterſprache geſchehen; da denn die unmittelbare Anwendung jener Idiome und deren Halbverdeutſchung ſowohl den Welt- als Geſchaͤftsſtyl laͤcherlich machte. Ueberdieß faßte man die Gleichnißreden der ſuͤdlichen Sprachen unmaͤßig auf und bediente ſich der¬ ſelben hoͤchſt uͤbertrieben. Eben ſo zog man den vornehmen Anſtand der fuͤrſtengleichen roͤmiſchen Buͤrger auf deutſche kleinſtaͤdtiſche Gelehrten-Verhaͤltniſſe heruͤber, und war eben nirgends, am wenigſten bey ſich zu Hauſe.
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lige fremde Worte noͤthiger und unnoͤthiger
Weiſe mit auf, und auch fuͤr ſchon bekannte
Gegenſtaͤnde ward man veranlaßt, ſich aus¬
laͤndiſcher Ausdruͤcke und Wendungen zu be¬
dienen. Der Deutſche, ſeit beynahe zwey
Jahrhunderten, in einem ungluͤcklichen, tu¬
multuariſchen Zuſtande verwildert, begab ſich
bey den Franzoſen in die Schule, um lebens¬
artig zu werden, und bey den Roͤmern, um
ſich wuͤrdig auszudruͤcken. Dieß ſollte aber
auch in der Mutterſprache geſchehen; da denn
die unmittelbare Anwendung jener Idiome
und deren Halbverdeutſchung ſowohl den Welt-
als Geſchaͤftsſtyl laͤcherlich machte. Ueberdieß
faßte man die Gleichnißreden der ſuͤdlichen
Sprachen unmaͤßig auf und bediente ſich der¬
ſelben hoͤchſt uͤbertrieben. Eben ſo zog man
den vornehmen Anſtand der fuͤrſtengleichen
roͤmiſchen Buͤrger auf deutſche kleinſtaͤdtiſche
Gelehrten-Verhaͤltniſſe heruͤber, und war eben
nirgends, am wenigſten bey ſich zu Hauſe.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/115>, abgerufen am 24.11.2024.
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