zwar gesittet war, aber doch eigentlich was man Lebensart nennt, nicht besaß, in man¬ chen kleinen Aeußerlichkeiten zurecht zu führen und zu verbessern. Nur eine einzige Freun¬ dinn brachte die Abende bey ihr zu; diese war aber schon herrischer und schulmeisterli¬ cher, deswegen sie mir äußerst misfiel und ich ihr zum Trutz öfters jene Unarten wieder annahm, welche mir die andere schon abge¬ wöhnt hatte. Sie übten unterdessen noch immer Geduld genug an mir, lehrten mich Piquet, l'Hombre und was andere derglei¬ chen Spiele sind, deren Kenntniß und Aus¬ übung in der Gesellschaft für unerläßlich ge¬ halten wird.
Worauf aber Madame Böhme den grö߬ ten Einfluß bey mir hatte, war auf meinen Geschmack, freylich auf eine negative Weise, worin sie jedoch mit den Kritikern vollkom¬ men übereintraf. Das Gottschedische Gewäs¬ ser hatte die deutsche Welt mit einer wahren
zwar geſittet war, aber doch eigentlich was man Lebensart nennt, nicht beſaß, in man¬ chen kleinen Aeußerlichkeiten zurecht zu fuͤhren und zu verbeſſern. Nur eine einzige Freun¬ dinn brachte die Abende bey ihr zu; dieſe war aber ſchon herriſcher und ſchulmeiſterli¬ cher, deswegen ſie mir aͤußerſt misfiel und ich ihr zum Trutz oͤfters jene Unarten wieder annahm, welche mir die andere ſchon abge¬ woͤhnt hatte. Sie uͤbten unterdeſſen noch immer Geduld genug an mir, lehrten mich Piquet, l'Hombre und was andere derglei¬ chen Spiele ſind, deren Kenntniß und Aus¬ uͤbung in der Geſellſchaft fuͤr unerlaͤßlich ge¬ halten wird.
Worauf aber Madame Boͤhme den groͤ߬ ten Einfluß bey mir hatte, war auf meinen Geſchmack, freylich auf eine negative Weiſe, worin ſie jedoch mit den Kritikern vollkom¬ men uͤbereintraf. Das Gottſchediſche Gewaͤſ¬ ſer hatte die deutſche Welt mit einer wahren
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zwar geſittet war, aber doch eigentlich was
man Lebensart nennt, nicht beſaß, in man¬
chen kleinen Aeußerlichkeiten zurecht zu fuͤhren
und zu verbeſſern. Nur eine einzige Freun¬
dinn brachte die Abende bey ihr zu; dieſe
war aber ſchon herriſcher und ſchulmeiſterli¬
cher, deswegen ſie mir aͤußerſt misfiel und
ich ihr zum Trutz oͤfters jene Unarten wieder
annahm, welche mir die andere ſchon abge¬
woͤhnt hatte. Sie uͤbten unterdeſſen noch
immer Geduld genug an mir, lehrten mich
Piquet, l'Hombre und was andere derglei¬
chen Spiele ſind, deren Kenntniß und Aus¬
uͤbung in der Geſellſchaft fuͤr unerlaͤßlich ge¬
halten wird.
Worauf aber Madame Boͤhme den groͤ߬
ten Einfluß bey mir hatte, war auf meinen
Geſchmack, freylich auf eine negative Weiſe,
worin ſie jedoch mit den Kritikern vollkom¬
men uͤbereintraf. Das Gottſchediſche Gewaͤſ¬
ſer hatte die deutſche Welt mit einer wahren
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/102>, abgerufen am 24.11.2024.
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