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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Küchengewächsen, ein andrer den Blumen
gewidmet, die vom Frühjahr bis in den
Herbst, in reichlicher Abwechslung, die Rabat¬
ten so wie die Beete schmückten. Die lange,
gegen Mittag gerichtete Mauer war zu wohl
gezogenen Spalier-Pfirsichbäumen genützt,
von denen uns die verbotenen Früchte, den
Sommer über, gar appetitlich entgegenreiften.
Doch vermieden wir lieber diese Seite, weil
wir unsere Genäschigkeit hier nicht befriedigen
durften, und wandten uns zu der entgegen¬
gesetzten, wo eine unabsehbare Reihe Johan¬
nis- und Stachelbeer-Büssche unserer Gierig¬
keit eine Folge von Aerndten bis in den Herbst
eröffnete. Nicht weniger war uns ein alter,
hoher, weitverbreiteter Maulbeerbaum bedeu¬
tend, sowohl wegen seiner Früchte als auch
weil man uns erzählte, daß von seinen Blät¬
tern die Seidenwürmer sich ernährten. In die¬
sem friedlichen Revier fand man jeden Abend
den Großvater mit behaglicher Geschäftigkeit
eigenhändig die feinere Obst- und Blumen¬

Kuͤchengewaͤchſen, ein andrer den Blumen
gewidmet, die vom Fruͤhjahr bis in den
Herbſt, in reichlicher Abwechslung, die Rabat¬
ten ſo wie die Beete ſchmuͤckten. Die lange,
gegen Mittag gerichtete Mauer war zu wohl
gezogenen Spalier-Pfirſichbaͤumen genuͤtzt,
von denen uns die verbotenen Fruͤchte, den
Sommer uͤber, gar appetitlich entgegenreiften.
Doch vermieden wir lieber dieſe Seite, weil
wir unſere Genaͤſchigkeit hier nicht befriedigen
durften, und wandten uns zu der entgegen¬
geſetzten, wo eine unabſehbare Reihe Johan¬
nis– und Stachelbeer-Buͤsſche unſerer Gierig¬
keit eine Folge von Aerndten bis in den Herbſt
eroͤffnete. Nicht weniger war uns ein alter,
hoher, weitverbreiteter Maulbeerbaum bedeu¬
tend, ſowohl wegen ſeiner Fruͤchte als auch
weil man uns erzaͤhlte, daß von ſeinen Blaͤt¬
tern die Seidenwuͤrmer ſich ernaͤhrten. In die¬
ſem friedlichen Revier fand man jeden Abend
den Großvater mit behaglicher Geſchaͤftigkeit
eigenhaͤndig die feinere Obſt- und Blumen¬

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[72/0088] Kuͤchengewaͤchſen, ein andrer den Blumen gewidmet, die vom Fruͤhjahr bis in den Herbſt, in reichlicher Abwechslung, die Rabat¬ ten ſo wie die Beete ſchmuͤckten. Die lange, gegen Mittag gerichtete Mauer war zu wohl gezogenen Spalier-Pfirſichbaͤumen genuͤtzt, von denen uns die verbotenen Fruͤchte, den Sommer uͤber, gar appetitlich entgegenreiften. Doch vermieden wir lieber dieſe Seite, weil wir unſere Genaͤſchigkeit hier nicht befriedigen durften, und wandten uns zu der entgegen¬ geſetzten, wo eine unabſehbare Reihe Johan¬ nis– und Stachelbeer-Buͤsſche unſerer Gierig¬ keit eine Folge von Aerndten bis in den Herbſt eroͤffnete. Nicht weniger war uns ein alter, hoher, weitverbreiteter Maulbeerbaum bedeu¬ tend, ſowohl wegen ſeiner Fruͤchte als auch weil man uns erzaͤhlte, daß von ſeinen Blaͤt¬ tern die Seidenwuͤrmer ſich ernaͤhrten. In die¬ ſem friedlichen Revier fand man jeden Abend den Großvater mit behaglicher Geſchaͤftigkeit eigenhaͤndig die feinere Obſt- und Blumen¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/88>, abgerufen am 24.11.2024.