Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

Bey alle dem herrschte eine ziemliche
Stille, und als die Sturmglocke geläutet
wurde, schien das ganze Volk von Schauer
und Erstaunen ergriffen. Was nun zuerst
die Aufmerksamkeit aller die von oben herab
den Platz übersehen konnten, erregte, war
der Zug, in welchem die Herren von Aachen
und Nürnberg die Reichs-Kleinodien nach dem
Dome brachten. Diese hatten als Schutzhei¬
ligthümer den ersten Platz im Wagen einge¬
nommen, und die Deputirten saßen vor ihnen
in anständiger Verehrung auf dem Rücksitz.
Nunmehr begeben sich die drey Churfürsten
in den Dom. Nach Ueberreichung der Insig¬
nien an Chur-Mainz werden Krone und
Schwerd sogleich nach dem kaiserlichen Quar¬
tier gebracht. Die weiteren Anstalten und
mancherley Ceremoniel beschäftigen mittler¬
weile die Hauptpersonen so wie die Zuschauer
in der Kirche, wie wir andern Unterrichteten
uns wohl denken konnten.

Bey alle dem herrſchte eine ziemliche
Stille, und als die Sturmglocke gelaͤutet
wurde, ſchien das ganze Volk von Schauer
und Erſtaunen ergriffen. Was nun zuerſt
die Aufmerkſamkeit aller die von oben herab
den Platz uͤberſehen konnten, erregte, war
der Zug, in welchem die Herren von Aachen
und Nuͤrnberg die Reichs-Kleinodien nach dem
Dome brachten. Dieſe hatten als Schutzhei¬
ligthuͤmer den erſten Platz im Wagen einge¬
nommen, und die Deputirten ſaßen vor ihnen
in anſtaͤndiger Verehrung auf dem Ruͤckſitz.
Nunmehr begeben ſich die drey Churfuͤrſten
in den Dom. Nach Ueberreichung der Inſig¬
nien an Chur-Mainz werden Krone und
Schwerd ſogleich nach dem kaiſerlichen Quar¬
tier gebracht. Die weiteren Anſtalten und
mancherley Ceremoniel beſchaͤftigen mittler¬
weile die Hauptperſonen ſo wie die Zuſchauer
in der Kirche, wie wir andern Unterrichteten
uns wohl denken konnten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0490" n="474"/>
        <p>Bey alle dem herr&#x017F;chte eine ziemliche<lb/>
Stille, und als die Sturmglocke gela&#x0364;utet<lb/>
wurde, &#x017F;chien das ganze Volk von Schauer<lb/>
und Er&#x017F;taunen ergriffen. Was nun zuer&#x017F;t<lb/>
die Aufmerk&#x017F;amkeit aller die von oben herab<lb/>
den Platz u&#x0364;ber&#x017F;ehen konnten, erregte, war<lb/>
der Zug, in welchem die Herren von Aachen<lb/>
und Nu&#x0364;rnberg die Reichs-Kleinodien nach dem<lb/>
Dome brachten. Die&#x017F;e hatten als Schutzhei¬<lb/>
ligthu&#x0364;mer den er&#x017F;ten Platz im Wagen einge¬<lb/>
nommen, und die Deputirten &#x017F;aßen vor ihnen<lb/>
in an&#x017F;ta&#x0364;ndiger Verehrung auf dem Ru&#x0364;ck&#x017F;itz.<lb/>
Nunmehr begeben &#x017F;ich die drey Churfu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
in den Dom. Nach Ueberreichung der In&#x017F;ig¬<lb/>
nien an Chur-Mainz werden Krone und<lb/>
Schwerd &#x017F;ogleich nach dem kai&#x017F;erlichen Quar¬<lb/>
tier gebracht. Die weiteren An&#x017F;talten und<lb/>
mancherley Ceremoniel be&#x017F;cha&#x0364;ftigen mittler¬<lb/>
weile die Hauptper&#x017F;onen &#x017F;o wie die Zu&#x017F;chauer<lb/>
in der Kirche, wie wir andern Unterrichteten<lb/>
uns wohl denken konnten.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[474/0490] Bey alle dem herrſchte eine ziemliche Stille, und als die Sturmglocke gelaͤutet wurde, ſchien das ganze Volk von Schauer und Erſtaunen ergriffen. Was nun zuerſt die Aufmerkſamkeit aller die von oben herab den Platz uͤberſehen konnten, erregte, war der Zug, in welchem die Herren von Aachen und Nuͤrnberg die Reichs-Kleinodien nach dem Dome brachten. Dieſe hatten als Schutzhei¬ ligthuͤmer den erſten Platz im Wagen einge¬ nommen, und die Deputirten ſaßen vor ihnen in anſtaͤndiger Verehrung auf dem Ruͤckſitz. Nunmehr begeben ſich die drey Churfuͤrſten in den Dom. Nach Ueberreichung der Inſig¬ nien an Chur-Mainz werden Krone und Schwerd ſogleich nach dem kaiſerlichen Quar¬ tier gebracht. Die weiteren Anſtalten und mancherley Ceremoniel beſchaͤftigen mittler¬ weile die Hauptperſonen ſo wie die Zuſchauer in der Kirche, wie wir andern Unterrichteten uns wohl denken konnten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/490
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/490>, abgerufen am 13.06.2024.