Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

unsre Einbildungskraft, wie bisher, auszuma¬
len: denn wir fanden diesen in der deutschen
Geschichte so merkwürdigen Raum, wo die
mächtigsten Fürsten sich zu einer Handlung
von solcher Wichtigkeit zu versammlen pfleg¬
ten, keinesweges würdig ausgeziert, sondern
noch obenein mit Balken, Stangen, Gerü¬
sten und anderem solchen Gesperr, das man
bey Seite setzen wollte, verunstaltet. De¬
sto mehr ward unsere Einbildungskraft ange¬
regt und das Herz uns erhoben, als wir kurz
nachher die Erlaubniß erhielten, beym Vor¬
zeigen der goldnen Bulle an einige vornehme
Fremden, auf dem Rathhause gegenwärtig zu
seyn.

Mit vieler Begierde vernahm der Knabe
sodann, was ihm die Seinigen so wie ältere
Verwandte und Bekannte gern erzählten und
wiederholten, die Geschichten der zuletzt kurz
auf einander gefolgten Krönungen: denn es
war kein Frankfurter von einem gewissen Al¬

unſre Einbildungskraft, wie bisher, auszuma¬
len: denn wir fanden dieſen in der deutſchen
Geſchichte ſo merkwuͤrdigen Raum, wo die
maͤchtigſten Fuͤrſten ſich zu einer Handlung
von ſolcher Wichtigkeit zu verſammlen pfleg¬
ten, keinesweges wuͤrdig ausgeziert, ſondern
noch obenein mit Balken, Stangen, Geruͤ¬
ſten und anderem ſolchen Geſperr, das man
bey Seite ſetzen wollte, verunſtaltet. De¬
ſto mehr ward unſere Einbildungskraft ange¬
regt und das Herz uns erhoben, als wir kurz
nachher die Erlaubniß erhielten, beym Vor¬
zeigen der goldnen Bulle an einige vornehme
Fremden, auf dem Rathhauſe gegenwaͤrtig zu
ſeyn.

Mit vieler Begierde vernahm der Knabe
ſodann, was ihm die Seinigen ſo wie aͤltere
Verwandte und Bekannte gern erzaͤhlten und
wiederholten, die Geſchichten der zuletzt kurz
auf einander gefolgten Kroͤnungen: denn es
war kein Frankfurter von einem gewiſſen Al¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0046" n="30"/>
un&#x017F;re Einbildungskraft, wie bisher, auszuma¬<lb/>
len: denn wir fanden die&#x017F;en in der deut&#x017F;chen<lb/>
Ge&#x017F;chichte &#x017F;o merkwu&#x0364;rdigen Raum, wo die<lb/>
ma&#x0364;chtig&#x017F;ten Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;ich zu einer Handlung<lb/>
von &#x017F;olcher Wichtigkeit zu ver&#x017F;ammlen pfleg¬<lb/>
ten, keinesweges wu&#x0364;rdig ausgeziert, &#x017F;ondern<lb/>
noch obenein mit Balken, Stangen, Geru&#x0364;¬<lb/>
&#x017F;ten und anderem &#x017F;olchen Ge&#x017F;perr, das man<lb/>
bey Seite &#x017F;etzen wollte, verun&#x017F;taltet. De¬<lb/>
&#x017F;to mehr ward un&#x017F;ere Einbildungskraft ange¬<lb/>
regt und das Herz uns erhoben, als wir kurz<lb/>
nachher die Erlaubniß erhielten, beym Vor¬<lb/>
zeigen der goldnen Bulle an einige vornehme<lb/>
Fremden, auf dem Rathhau&#x017F;e gegenwa&#x0364;rtig zu<lb/>
&#x017F;eyn.</p><lb/>
      <p>Mit vieler Begierde vernahm der Knabe<lb/>
&#x017F;odann, was ihm die Seinigen &#x017F;o wie a&#x0364;ltere<lb/>
Verwandte und Bekannte gern erza&#x0364;hlten und<lb/>
wiederholten, die Ge&#x017F;chichten der zuletzt kurz<lb/>
auf einander gefolgten Kro&#x0364;nungen: denn es<lb/>
war kein Frankfurter von einem gewi&#x017F;&#x017F;en Al¬<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0046] unſre Einbildungskraft, wie bisher, auszuma¬ len: denn wir fanden dieſen in der deutſchen Geſchichte ſo merkwuͤrdigen Raum, wo die maͤchtigſten Fuͤrſten ſich zu einer Handlung von ſolcher Wichtigkeit zu verſammlen pfleg¬ ten, keinesweges wuͤrdig ausgeziert, ſondern noch obenein mit Balken, Stangen, Geruͤ¬ ſten und anderem ſolchen Geſperr, das man bey Seite ſetzen wollte, verunſtaltet. De¬ ſto mehr ward unſere Einbildungskraft ange¬ regt und das Herz uns erhoben, als wir kurz nachher die Erlaubniß erhielten, beym Vor¬ zeigen der goldnen Bulle an einige vornehme Fremden, auf dem Rathhauſe gegenwaͤrtig zu ſeyn. Mit vieler Begierde vernahm der Knabe ſodann, was ihm die Seinigen ſo wie aͤltere Verwandte und Bekannte gern erzaͤhlten und wiederholten, die Geſchichten der zuletzt kurz auf einander gefolgten Kroͤnungen: denn es war kein Frankfurter von einem gewiſſen Al¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/46
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/46>, abgerufen am 03.12.2024.