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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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wohl unterrichtet schien. Als wir uns trenn¬
ten, empfahl er sich mir und fügte hinzu:
er wünsche, daß ich gut von ihm denken
möge, weil er sich gelegentlich meiner Empfeh¬
lung zu erfreuen hoffe. Ich wußte nicht was
er damit sagen wollte, aber die Vettern klär¬
ten mich nach einigen Tagen auf; sie sprachen
Gutes von ihm und ersuchten mich um ein
Vorwort bey meinem Großvater, da jetzt
eben eine mittlere Stelle offen sey, zu welcher
dieser Freund gern gelangen möchte. Ich
entschuldigte mich anfangs, weil ich mich nie¬
mals in dergleichen Dinge gemischt hatte;
allein sie setzten mir so lange zu, bis ich mich
es zu thun entschloß. Hatte ich doch schon
manchmal bemerkt, daß bey solchen Aemter¬
vergebungen, welche leider oft als Gnaden¬
sachen betrachtet werden, die Vorsprache der
Großmutter oder einer Tante nicht ohne
Wirkung gewesen. Ich war soweit herange¬
wachsen, um mir auch einigen Einfluß anzu¬

wohl unterrichtet ſchien. Als wir uns trenn¬
ten, empfahl er ſich mir und fuͤgte hinzu:
er wuͤnſche, daß ich gut von ihm denken
moͤge, weil er ſich gelegentlich meiner Empfeh¬
lung zu erfreuen hoffe. Ich wußte nicht was
er damit ſagen wollte, aber die Vettern klaͤr¬
ten mich nach einigen Tagen auf; ſie ſprachen
Gutes von ihm und erſuchten mich um ein
Vorwort bey meinem Großvater, da jetzt
eben eine mittlere Stelle offen ſey, zu welcher
dieſer Freund gern gelangen moͤchte. Ich
entſchuldigte mich anfangs, weil ich mich nie¬
mals in dergleichen Dinge gemiſcht hatte;
allein ſie ſetzten mir ſo lange zu, bis ich mich
es zu thun entſchloß. Hatte ich doch ſchon
manchmal bemerkt, daß bey ſolchen Aemter¬
vergebungen, welche leider oft als Gnaden¬
ſachen betrachtet werden, die Vorſprache der
Großmutter oder einer Tante nicht ohne
Wirkung geweſen. Ich war ſoweit herange¬
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[418/0434] wohl unterrichtet ſchien. Als wir uns trenn¬ ten, empfahl er ſich mir und fuͤgte hinzu: er wuͤnſche, daß ich gut von ihm denken moͤge, weil er ſich gelegentlich meiner Empfeh¬ lung zu erfreuen hoffe. Ich wußte nicht was er damit ſagen wollte, aber die Vettern klaͤr¬ ten mich nach einigen Tagen auf; ſie ſprachen Gutes von ihm und erſuchten mich um ein Vorwort bey meinem Großvater, da jetzt eben eine mittlere Stelle offen ſey, zu welcher dieſer Freund gern gelangen moͤchte. Ich entſchuldigte mich anfangs, weil ich mich nie¬ mals in dergleichen Dinge gemiſcht hatte; allein ſie ſetzten mir ſo lange zu, bis ich mich es zu thun entſchloß. Hatte ich doch ſchon manchmal bemerkt, daß bey ſolchen Aemter¬ vergebungen, welche leider oft als Gnaden¬ ſachen betrachtet werden, die Vorſprache der Großmutter oder einer Tante nicht ohne Wirkung geweſen. Ich war ſoweit herange¬ wachſen, um mir auch einigen Einfluß anzu¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/434>, abgerufen am 01.09.2024.