Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.nicht gar lange beysammen zu bleiben und Die Gestalt dieses Mädchens verfolgte nicht gar lange beyſammen zu bleiben und Die Geſtalt dieſes Maͤdchens verfolgte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0413" n="397"/> nicht gar lange beyſammen zu bleiben und<lb/> uͤberhaupt nicht ſo laut zu werden: denn die<lb/> Mutter wolle ſich eben zu Bette legen. Es<lb/> war nicht ihre Mutter, ſondern die unſerer<lb/> Wirthe.</p><lb/> <p>Die Geſtalt dieſes Maͤdchens verfolgte<lb/> mich von dem Augenblick an auf allen We¬<lb/> gen und Stegen: es war der erſte bleibende<lb/> Eindruck, den ein weibliches Weſen auf mich<lb/> gemacht hatte; und da ich einen Vorwand<lb/> ſie im Hauſe zu ſehen weder finden konnte,<lb/> noch ſuchen mochte, ging ich ihr zu Liebe in<lb/> die Kirche und hatte bald ausgeſpuͤrt wo ſie<lb/> ſaß; und ſo konnte ich waͤhrend des langen<lb/> proteſtantiſchen Gottesdienſtes mich wohl ſatt<lb/> an ihr ſehen. Beym Herausgehen getraute<lb/> ich mich nicht ſie anzureden, noch weniger ſie<lb/> zu begleiten, und war ſchon ſeelig, wenn ſie<lb/> mich bemerkt und gegen einen Gruß genickt<lb/> zu haben ſchien. Doch ich ſollte das Gluͤck<lb/> mich ihr zu naͤhern nicht lange entbehren.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [397/0413]
nicht gar lange beyſammen zu bleiben und
uͤberhaupt nicht ſo laut zu werden: denn die
Mutter wolle ſich eben zu Bette legen. Es
war nicht ihre Mutter, ſondern die unſerer
Wirthe.
Die Geſtalt dieſes Maͤdchens verfolgte
mich von dem Augenblick an auf allen We¬
gen und Stegen: es war der erſte bleibende
Eindruck, den ein weibliches Weſen auf mich
gemacht hatte; und da ich einen Vorwand
ſie im Hauſe zu ſehen weder finden konnte,
noch ſuchen mochte, ging ich ihr zu Liebe in
die Kirche und hatte bald ausgeſpuͤrt wo ſie
ſaß; und ſo konnte ich waͤhrend des langen
proteſtantiſchen Gottesdienſtes mich wohl ſatt
an ihr ſehen. Beym Herausgehen getraute
ich mich nicht ſie anzureden, noch weniger ſie
zu begleiten, und war ſchon ſeelig, wenn ſie
mich bemerkt und gegen einen Gruß genickt
zu haben ſchien. Doch ich ſollte das Gluͤck
mich ihr zu naͤhern nicht lange entbehren.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/413>, abgerufen am 16.02.2025. |