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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Thema auf, und er macht euch ein Gedicht
aus dem Stegereif." -- Ich ließ es mir
gefallen, wir wurden einig, und der Dritte
fragte mich: ob ich mich wohl getraue, ei¬
nen recht artigen Liebesbrief in Versen aufzu¬
setzen, den ein verschämtes junges Mädchen
an einen Jüngling schriebe, um ihre Nei¬
gung zu offenbaren. -- Nichts ist leichter
als das, versetzte ich, wenn wir nur ein
Schreibzeug hätten. -- Jener brachte seinen
Taschencalender hervor, worin sich weiße
Blätter in Menge befanden, und ich setzte
mich auf eine Bank, zu schreiben. Sie gin¬
gen indeß auf und ab und ließen mich nicht
aus den Augen. Sogleich faßte ich die Si¬
tuation in den Sinn und dachte mir, wie
artig es seyn müßte, wenn irgend ein hüb¬
sches Kind mir wirklich gewogen wäre und
es mir in Prosa oder in Versen entdecken
wollte. Ich begann daher ohne Anstand
meine Erklärung, und führte sie in einem,
zwischen dem Knittelvers und Madrigal

Thema auf, und er macht euch ein Gedicht
aus dem Stegereif.“ — Ich ließ es mir
gefallen, wir wurden einig, und der Dritte
fragte mich: ob ich mich wohl getraue, ei¬
nen recht artigen Liebesbrief in Verſen aufzu¬
ſetzen, den ein verſchaͤmtes junges Maͤdchen
an einen Juͤngling ſchriebe, um ihre Nei¬
gung zu offenbaren. — Nichts iſt leichter
als das, verſetzte ich, wenn wir nur ein
Schreibzeug haͤtten. — Jener brachte ſeinen
Taſchencalender hervor, worin ſich weiße
Blaͤtter in Menge befanden, und ich ſetzte
mich auf eine Bank, zu ſchreiben. Sie gin¬
gen indeß auf und ab und ließen mich nicht
aus den Augen. Sogleich faßte ich die Si¬
tuation in den Sinn und dachte mir, wie
artig es ſeyn muͤßte, wenn irgend ein huͤb¬
ſches Kind mir wirklich gewogen waͤre und
es mir in Proſa oder in Verſen entdecken
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[390/0406] Thema auf, und er macht euch ein Gedicht aus dem Stegereif.“ — Ich ließ es mir gefallen, wir wurden einig, und der Dritte fragte mich: ob ich mich wohl getraue, ei¬ nen recht artigen Liebesbrief in Verſen aufzu¬ ſetzen, den ein verſchaͤmtes junges Maͤdchen an einen Juͤngling ſchriebe, um ihre Nei¬ gung zu offenbaren. — Nichts iſt leichter als das, verſetzte ich, wenn wir nur ein Schreibzeug haͤtten. — Jener brachte ſeinen Taſchencalender hervor, worin ſich weiße Blaͤtter in Menge befanden, und ich ſetzte mich auf eine Bank, zu ſchreiben. Sie gin¬ gen indeß auf und ab und ließen mich nicht aus den Augen. Sogleich faßte ich die Si¬ tuation in den Sinn und dachte mir, wie artig es ſeyn muͤßte, wenn irgend ein huͤb¬ ſches Kind mir wirklich gewogen waͤre und es mir in Proſa oder in Verſen entdecken wollte. Ich begann daher ohne Anſtand meine Erklaͤrung, und fuͤhrte ſie in einem, zwiſchen dem Knittelvers und Madrigal

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/406>, abgerufen am 22.11.2024.